Die tariflichen Monatsverdienste sind im vorigen Jahr um 2,7 Prozent gestiegen. Sehr unsicher ist, ob die Gewerkschaften den Trend in diesem Jahr fortsetzen können. Der Tarifabschluss der Fluglotsen gibt schon eine Idee davon, wie gering die Zuwächse ausfallen könnten.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Es ist der erste namhafte Abschluss des Jahres – wenn auch ein volkswirtschaftlich unbedeutender: Am Mittwoch haben sich die Deutsche Flugsicherung (DFS) und die Lotsengewerkschaft GdF in der zweiten Verhandlungsrunde auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt. Demnach steigen die Gehälter von Januar bis Dezember 2013 um zwei Prozent; hinzu kommen einmalig 350 Euro. Zudem wurde vereinbart, die gegenseitig angestoßenen Gerichtsstreitereien infolge der Vorfeldlotsenstreiks am Frankfurter Flughafen im Februar 2012 sowie wegen der GdF-Streikdrohungen vom Sommer 2011 beizulegen.

 

Zwei Prozent mehr für die Fluglotsen – das gibt immerhin einen vagen Hinweis auf das Tarifjahr 2013, wonach die allgemein stattliche Lohnentwicklung des Vorjahres voraussichtlich nicht anhalten wird. Wie das Statistische Bundesamt errechnet hat, sind die tariflichen Monatsverdienste der Arbeitnehmer in Deutschland 2012 um durchschnittlich 2,7 Prozent gegenüber 2011 gewachsen. Das Plus lag damit deutlich über den Steigerungen von 2011 (1,5 Prozent) und 2010 (1,6 Prozent) – es erreicht aber nicht den Durchschnitt von 2008 (3,6 Prozent) und 2009 (2,8 Prozent).

Von der Energieversorgung bis zu den Finanzdienstleistungen

Im vorigen Jahr hatten die Tarifparteien wieder starken konjunkturellen Rückenwind. Die deutlichsten durchschnittlichen Tariferhöhungen erhielten die Beschäftigten in der Energie- und Wasserversorgung, der Entsorgung, im öffentlichen Dienst und Erziehungsbereich mit jeweils drei Prozent. Am wenigsten profitierten die Arbeitnehmer im Gastgewerbe, im Gesundheits- und Sozialwesen (je 2,1 Prozent), bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (1,8 Prozent). Im verarbeitenden Gewerbe, zu dem die Metall- und die Chemieindustrie gehören, stiegen die Tarifverdienste im Schnitt um 2,8 Prozent. Ermittelt werden die Jahreswerte auf der Grundlage vielfältiger statistischer Daten.

Zu ähnlichen Resultaten war das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung gekommen. Nach deren Berechnungen errangen die Gewerkschaften 2012 Steigerungen von durchschnittlich 3,9 Prozent. Auf das Kalenderjahr bezogen ergab dies ein Plus der Tarifgehälter von 2,7 Prozent. Abzüglich der Inflationsrate von 2,0 Prozent blieb ein realer Zuwachs um 0,7 Prozent. Auch das, was inklusive Überstundenvergütungen und sonstigen Zuschlägen tatsächlich ausbezahlt wird – effektives Bruttoeinkommen genannt – stieg um 2,6 Prozent, so dass sich die Arbeitnehmer preisbereinigt über 0,6 Prozent mehr Geld freuen durften.

Forderungen zwischen 5,0 und 6,5 Prozent

In diesem Jahr ist der konjunkturelle Aufwärtstrend nicht mehr so eindeutig wie 2012, als die meisten Industrieunternehmen volle Auftragsbücher hatten. Das veranlasst die Gewerkschaften wie die IG Metall zu einem vorsichtigeren Kurs. Zwar streben sie spürbare Lohnzuwächse oberhalb der Inflationsrate an, um die Kaufkraft anzukurbeln, lassen aber auch eine realistische Sicht auf die differenzierte Lage erkennen.

Für 12,5 Millionen Beschäftigte laufen 2013 die Gehaltsverträge aus. Die bisher bekannten Forderungen bewegen sich zwischen fünf und 6,5 Prozent (siehe Kasten). Auch die IG Metall dürfte diese Spanne nicht nach oben durchbrechen. Der Tarifexperte des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Hagen Lesch, erwartet ein zähes Tarifjahr, weil Gewerkschaften und Arbeitgeber im Spannungsfeld von Wirtschaftsflaute, Schuldenbremse und einer schwachen Binnenkonjunktur infolge der zurückhaltenden Lohnpolitik der vergangenen Jahre verhandeln müssten.

Einige Gewerkschaften müssen sich gar auf einen verschärften Abwehrkampf einstellen. Das gilt vor allem im Einzelhandel, wo die Arbeitgeber die Manteltarifverträge gekündigt haben. Bescheiden müssen sich wohl auch die Banker: Allein bei der Commerzbank sind laut Verdi 4600 Stellen bedroht. Das prägt auch die Tarifgespräche.