Die Tarifrunde im baden-württembergischen Einzelhandel spitzt sich zu: Die Arbeitgeber haben ein Angebot vorgelegt, das eine Lohnerhöhung von 2,5 Prozent in 24 Monaten bringen soll. Eine „Unverschämtheit“, meint die Gewerkschaft Verdi. Vor dem nächsten Termin stehen erste Warnstreiks an.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Als „Unverschämtheit“ hat Verdi-Verhandlungsführer Bernhard Franke das Angebot der Einzelhandelsarbeitgeber zurückgewiesen, das diese am Mittwoch in der zweiten Runde der Tarifrunde in Korntal-Münchingen vorgelegt haben. „Die wissen das ganz genau, dass das Reallohnsenkung für alle bedeutet“, sagte der Landesfachbereichsleiter dieser Zeitung. Die Zeit der ganz niedrigen Inflationsraten sei vorbei, so dass die Teuerungsrate damit nicht ausgeglichen werde. Der Handelsverband Baden-Württemberg hatte zuvor eine Erhöhung der Gehälter von 490 000 Beschäftigten zum 1. Juni 2017 um 1,5 Prozent plus eine weitere Stufe von 1,0 Prozent zum 1. April 2018 vorgeschlagen. Ihr Verhandlungsführer Philip Merten nannte die Offerte „der wirtschaftlichen Lage der Unternehmen angemessen“.

 

Neue Entgeltstruktur zwingt zur Eile

Franke zufolge wird das Angebot jedoch „die Tarifrunde ein Stück weit befeuern“. Verdi habe verhaltener begonnen als beim vorigen Mal. „Aber mit der Zurückhaltung wird es ein Ende haben, weil die Arbeitgeber ein klares Zeichen brauchen, dass sie damit nicht durchkommen.“ Nun werde in den Betrieben und Tarifkommissionen über die Vorbereitung der nächsten Verhandlungen am 31. Mai diskutiert. Er gehe davon aus, dass es davor zu ersten Protestaktionen und Warnstreiks kommen werde.

Die Chance, im normalen Zeitrahmen bis Anfang Juli ein Ergebnis zu finden, sei dennoch nicht vertan. Die Arbeitgeber könnten auch kein Interesse haben, dass es sich ewig lang hinziehe. „Wenn es ihnen ernst damit ist, dass wir den Flächentarifvertrag reformieren sollen, darf es keine Verknüpfung der Themen geben – dann müsste man die Entgeltrunde schnell mit einem vernünftigen Kompromiss beenden“, sagte Franke. Gemeint ist die neue Entgeltstruktur, über die seit etwa 15 Jahren geredet wird. Seit dem Tarifabschluss 2015 wird das Projekt mit besonderer Intensität vorangetrieben. Nun gedeihe es, glaubt der Verdi-Mann. „Wir sind auf einem guten Weg.“

Verdi will aufwerten – die Arbeitgeber wollen abwerten

Beide Seiten pochen auf mehr Differenzierung bei der Entlohnung des Verkaufspersonals: Verdi will soziale Kompetenzen einbeziehen und bestimmte Gruppen aufwerten. Folglich sollen Bewertungskriterien eingeführt werden, die bislang keine Rolle spielen. Die Arbeitgeber hingegen streben eher eine Abwertung von Teilen der Beschäftigten an, um Kosten zu senken. Dadurch würden bestimmte Tätigkeiten „diskriminiert“, rügte Franke. Bisher habe sich die Gewerkschaft daher schwergetan, intern eine geeinte Position zu finden, weil das Thema mit Angst besetzt sei. „Viele fürchten, dass es hinterher schlechter wird.“