Dicke Luft im Vorfeld der nächsten Metalltarifrunde. Der neue Verhandlungsführer der baden-württembergischen Arbeitgeber, Joachim Schulz, hält der Gewerkschaft mangelnden Realitätssinn vor.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Es ist sein erster Auftritt als Südwestmetall-Chef vor den Medien – und den nutzt Joachim Schulz gleich mal, um die Lohnempfehlung des IG-Metall-Vorstands für die nächste Tarifrunde zu zerpflücken.

 

„Sieben bis acht Prozent an Entgelterhöhung in den Tarifverträgen halte ich für unrealistisch und schädlich“, betont der Verhandlungsführer der Arbeitgeber. „Wenn ich als mittelständischer Unternehmer davon betroffen wäre, würde ich mir sehr ernsthaft Gedanken machen, mich aus dem Arbeitgeberverband zu verabschieden, weil es nicht mehr zu stemmen ist“, sagte er mit Blick auf eine Südwestmetall-Umfrage, wonach 23 Prozent der Befragten ihr Unternehmen als „wirtschaftlich gefährdet“ ansehen. So sei „Mäßigung das Gebot der Stunde“. Im Abschwung brauche die Metall- und Elektroindustrie kein dauerhaftes Plus in den Entgelttabellen.

Auch die Begründung der IG Metall will Schulz nicht stehen lassen. Sie behaupte: Es gebe ein gemeinsames Verständnis der Tarifpartner, dass nicht nur über die Lohnerhöhung für 2023, sondern auch noch über das Gesamtjahr 2022 zu reden sei, obwohl der aktuelle Tarifvertrag bis Ende September läuft. „Das muss ich abstreiten“, sagt er. „Das Verständnis gibt es auf Arbeitgeberseite so nicht.“

Keine dauerhafte Lohnerhöhung seit 2018?

„Ärgerlich“ findet es der Vorsitzende, dass Gewerkschaftschef Jörg Hofmann argumentiert, die Metaller hätten seit 2018 keine dauerhaft wirksame Lohnerhöhung mehr bekommen. „Das ist schlicht unwahr“, kontert Schulz und verweist auf Elemente früherer Tarifabschlüsse wie das tarifliche Zusatzgeld (T-Zug) oder den Transformationsbaustein. „Das sind Einmalbeträge, die dauerhaft vereinbart wurden.“ Ein Arbeitnehmer in Entgeltgruppe sieben, also im mittleren Bereich, erhalte 2023 über die wiederkehrenden Entgeltbausteine gut zwei Drittel eines Monatsgehalts. Dies entspreche gegenüber 2018 einer Entgelterhöhung von mehr als fünf Prozent oder gut 3000 Euro jährlich. „Man muss mit dem Kopf schütteln, wenn Hofmann sagt, dass dies nichts sei.“

Ebenso stellt Schulz die Angabe der Gegenseite infrage, dass die große Mehrheit der Betriebe die erhöhten Kosten bei Energie und Rohstoffen teilweise an ihre Kunden weiterleiten kann. Nach der Südwestmetall-Umfrage vermögen dies 21 Prozent der Betriebe „in ausreichendem Umfang“ und 61 Prozent „in geringerem Umfang“. Dies sei ein komplexes Geschehen, ergänzt Schulz. „Einen Überblick zu haben, das würde ich der IG Metall abstreiten, denn das wird aus Sicht der Arbeitnehmer oftmals zu pauschal und einfach wahrgenommen.“

„Tarifpolitik wird den Preisschock allein nicht auffangen“

Für Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick sind derlei konträre Feststellungen nicht neu: „Die Betriebsräte sollten sich eher nicht mit dem verantwortlichen Denken von Unternehmen beschäftigen“, rät er. Die IG Metall befrage ihre Betriebsräte, der Verband die Unternehmenschefs. Er verlasse sich eher auf die Arbeitgeberangaben, „die mehr Realitätssinn haben“.

Immerhin stimmt Schulz der Gewerkschaft in einem zentralen Punkt zu: „Die Tarifpolitik wird den Preisschock nicht allein auffangen können – hier ist die Politik in der Pflicht, für Ausgleich zu sorgen.“ Die Entlastungspakete der Bundesregierung seien grundsätzlich richtig. Weitere konkrete Schritte durch die Politik müssten folgen – „hier sehen wir noch Spielraum“. So nehme der Staat durch die Teuerung über Verbrauchssteuern mehr ein und könne dieses Geld an die Bürger weitergeben.

Die Arbeitgeber wollen mit konkreten Forderungen in die Tarifrunde gehen. Die sind allerdings noch nicht ausgearbeitet.