Von der nächsten Woche an will Verdi die Arbeitgeber massiv unter Druck setzen. Es drohen unbefristete Streiks bei Bussen und Bahnen.  

Stuttgart - Im öffentlichen Nahverkehr zeichnet sich ein langer und von beiden Seiten entschieden geführter Arbeitskampf ab. Die 15 Mitglieder der Verdi-Tarifkommission für den Nahverkehr legten am Donnerstag auf einem Treffen im Ulm die Streikstrategie fest. "Wir wollen die Arbeitgeber hart treffen, die Kunden aber möglichst schonen", hieß es. In Anbetracht des mit 96,88 Prozent eindeutigen Votums der organisierten Beschäftigten im Nahverkehr bei der Urabstimmung signalisierten die Delegierten eine hohe Kampfbereitschaft.

 

Bereits in der nächsten Woche dürfte Verdi die kommunalen Nahverkehrsbetriebe in Stuttgart, Esslingen, Pforzheim, Heilbronn, Baden-Baden, Karlsruhe und Mannheim mit einer flexiblen Arbeitskampfstrategie unter Druck setzen. Wer wann wo und wie von Streikmaßnahmen betroffen sein wird, soll allerdings erst am Montag bekanntgegeben werden - und dies auch nur "ein Stück weit", wie es bei der Gewerkschaft heißt.

"Es wird nicht jeden Tag jeden kommunalen Verkehrbetrieb im Land treffen", sagt Verdi-Sprecher Andreas Henke schon einmal voraus. Als sicher gilt nach Informationen der Stuttgarter Zeitung allerdings, dass Mitarbeiter der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB), bei der 2000 von 2800 Arbeitnehmern in der Gewerkschaft sind, bei dem Arbeitskampf an der Spitze marschieren werden. "Ich rechne mit einer wochenlangen Auseinandersetzung", sagte der Verdi-Verhandlungsführer Rudolf Hausmann am Donnerstag. Die Arbeitgeber hätten sich auf die harte Linie verständigt.

"Es wird Arbeitskampfmaßnahmen geben"

Auch Verdi will hart bleiben. Die Gewerkschaft verlangt bei der Auseinandersetzung um einen neuen Manteltarifvertrag trag die tarifliche Abkopplung vom öffentlichen Dienst. Sie fordert auch mehr Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Beschäftigten sowie einen "Nachteilsausgleich für Gewerkschaftsmitglieder".

"Um uns wieder an den Verhandlungstisch zu bringen, muss sich die Gegenseite mindestens bei einem dieser drei Blöcke ganz massiv bewegen", betont der SSB-Betriebsratsvorsitzende Klaus Felsmann, der auch in der Tarifkommission sitzt. Damit rechnet bei Verdi allerdings niemand mehr. Deshalb stehen die Zeichen ganz klar auf Streik. Wie der aussehen soll, wurde am Donnerstag auf der Tarifkonferenz besprochen, aber nicht bekanntgegeben.

"Es wird Arbeitskampfmaßnahmen geben, aber mit rechtzeitiger Ansage", so Verdi-Sprecher Henke. Intern ist davon die Rede, dass Streiks mindestens 24 Stunden vorher angekündigt würden. "Da bei den Arbeitsniederlegungen die Arbeitgeber hart getroffen, die Fahrgäste aber möglichst geschont werden sollen, könnte es Werbewochen für den Nahverkehr geben", vermutet ein Gewerkschafter. Denn wenn zum Beispiel die Ticketautomaten leer, Schalter nicht besetzt und Fahrkartenkontrolleure im Streik seien, könnten die Bürger Busse und Bahnen ausgiebig testen. Als explizite Aufforderung zum Schwarzfahren will der Funktionär seine Aussage nicht verstanden wissen. Klar aber ist, dass solche Maßnahmen die Verkehrsunternehmen auf der Einnahmenseite treffen sollen.

Rund 25 Forderungen

Die Verdi-Leute wissen indes auch, "dass der Streik nicht ohne Behinderungen für die Fahrgäste" zu führen sein wird. Wenn die Mitarbeiter der SSB-Leitstelle die Arbeit niederlegten, könne schließlich keine Stadtbahn mehr ausrücken. Deshalb wolle man die Bürger über die Medien rechtzeitig und ausführlich informieren, damit diese sich auf Streiks einstellen und Fahrgemeinschaften für den Weg zur Arbeit bilden könnten, heißt es.

Klare Worte kommen vom Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV). "Wir haben Ende September ein Angebot vorgelegt, über das noch gar nicht verhandelt worden ist", betont KAV-Geschäftsführer Andreas Stein. Man sei nicht bereit, sich von der Gewerkschaft scheibchenweise Zugeständnisse abtrotzen zu lassen, damit diese sich wieder an den Verhandlungstisch setze. "Schließlich haben wir uns unter anderem beim Weihnachtsgeld bewegt." Ein "Knackpunkt" für den KAV ist die "von Verdi geforderte Bonusregelung für Mitglieder". Dies und die ebenfalls verlangte Abkopplung vom Tarifgefüge des öffentlichen Dienstes sind mit uns nicht zu machen", so Stein. "Wir sind nicht bereit, die Werbetrommel für Verdi zu rühren." Insgesamt enthalte der Katalog der Gewerkschaft rund 25 Forderungen. "Die wollen den Arbeitskampf haben", vermutet Stein.