In den Kitas bahnt sich ein bundesweiter Arbeitskampf im Mai an. Nach der fünften Verhandlungsrunde ohne Einigung für den Sozial- und Erziehungsdienst will die Gewerkschaft Verdi das Scheitern der Gespräche und die Urabstimmung beschließen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Eltern von Kita-Kindern müssen sich auf einen wochenlangen unbefristeten Streik im Mai einstellen. „Das befürchte ich in der Tat“, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske der Stuttgarter Zeitung. „Die Arbeitgeberseite lässt uns da überhaupt keine andere Wahl.“ Die kommunale Arbeitgebervereinigung (VKA) hätte von Anfang an jeglichen generellen Handlungsbedarf zur Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes geleugnet. Es gebe noch kein verhandlungsfähiges Angebot. Bei der fünften Verhandlungsrunde in Offenbach hätte die Gegenseite jede Notwendigkeit einer Verbesserung für Sozialarbeiter und Sozialpädagogen kategorisch verneint.

 

Nun soll die Bundestarifkommission im sogenannten Umlaufbeschluss bis Anfang nächster Woche über eine Urabstimmung befinden. Diese würde Ende kommender Woche beginnen und sich in den Mai hineinziehen. Gestreikt würde dann etwa Mitte Mai. Verdi verlangt eine Neuregelung der Eingruppierungsvorschriften und Tätigkeitsmerkmale, was den 240 000 Beschäftigten im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst im Schnitt gut zehn Prozent höhere Einkommen bringen soll. Indirekt profitieren von einem Abschluss auch mehr als 500 000 Sozialdienst-Mitarbeiter bei freien und kirchlichen Trägern.

Arbeitgeber vermissen Verhandlungswillen

Die Arbeitgeber werfen der Gewerkschaft „mangelnden Verhandlungswillen“ vor. In einem umfangreichen Papier habe man zahlreiche konkrete Vorschläge für Verbesserungen gemacht. Die Gegenseite hätte in keiner Weise Kompromissbereitschaft gezeigt. „Ihr Streik-Fahrplan scheint festzustehen, obwohl der Verhandlungsweg nicht ausgeschöpft ist“, monierte VKA-Hauptgeschäftsführer Manfred Hoffmann. So sei auch der vorsorglich vereinbarte Termin 11. und 12. Mai von Verdi abgesagt worden.

Das Papier sehe unter anderem vor, dass Erzieherinnen in Aufgabenbereichen wie Inklusion oder Sprachförderung sowie mit Fachweiterbildungen um eine oder zwei Entgeltgruppen aufsteigen können. Dies brächte ein Gehaltsplus von bis zu 443 Euro monatlich. Das Plus für Kita-Leitungen betrage bis zu 430 Euro monatlich. Die VKA macht demnach erstmals deutliche Zugeständnisse. In Offenbach zeigten sich die Arbeitgeber bereit, die seit dem Kita-Großkonflikt im Jahr 2009 erfolgten Veränderungen der Berufsbilder im Tarifrecht zu honorieren – pauschale Erhöhungen lehnen sie allerdings weiterhin ab.

Jüngst hatte Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) gedrängt, die Löhne der Erzieherinnen langfristig auf das Niveau von Grundschullehrern anzuheben. „Die Forderung nach einer Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes findet in der Politik auf Bundes- und Landesebene ein hohes Maß an Verständnis“, versicherte Bsirske. „Nur erreicht dies die kommunale Seite so noch nicht.“ Die Beschäftigten hätten es zu tun mit einem Ausbildungsgang von vier, zum Teil fünf Jahren „und anschließendem Zwang zum Zweit- und Drittjob“, betonte der Verdi-Chef. „Die Frauen kellnern oder gehen abends putzen, weil sie mit dem, was sie für die anspruchsvoller gewordene erzieherische Arbeit als Lohn erhalten, nicht über die Runden kommen.“ Oft handele es sich um Teilzeitarbeitsplätze mit Gehältern von 1400 bis 1500 Euro brutto. Die größte Gruppe arbeite zwischen 20 und 32 Wochenstunden, die zweitgrößte zehn bis 20 Stunden.

Nach VKA-Angaben verdienen Erzieherinnen kommunaler Kitas in Vollzeitarbeit in der niedrigsten Tarifgruppe zwischen 2590 Euro (Berufsanfänger) und 3289 Euro – bei schwierigen oder koordinierenden Tätigkeiten sind es bis zu 3750 Euro. Kita-Leitungen erhalten bis zu 4749 Euro.

Rückendeckung von der Ministerin

Bsirske schilderte, dass er vor Monaten eine Stuttgarter Einrichtung mit 180 Plätzen besucht hätte – zu über 70 Prozent würden dort Kinder mit Migrationshintergrund betreut. Somit werde in den Kitas wertvolle Integrationsarbeit geleistet, aber auch Inklusion, Kreativitäts- und Sprachförderung. Dass die Bezahlung nicht gefolgt sei, „gefährdet die Attraktivität eines Berufsfeldes, auf das die Gesellschaft elementar angewiesen ist“. Wie die Gehaltssprünge bezahlt werden sollen, lässt er offen. Die Einnahmesituation vieler Kommunen habe sich verbessert. Zudem würden die Personalkosten der Einrichtungen in etlichen Bundesländern vom Land mitfinanziert. „Im Zweifelsfall muss auch der Bund in frühkindliche Bildung investieren“, sagte Bsirske. „Woher letztlich das Geld kommt, ist aber nicht mein erstrangiges Problem.“