Die Busse und Bahnen fahren wieder. Die Streiks setzen den Nahverkehrsunternehmen aber weiterhin zu. Der Imageschaden ist groß.  

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - An historischer Stätte auf der Waldau haben die Unterhändler von Arbeitgebern und Gewerkschaft am Donnerstag eine Lösung für den Tarifkonflikt im baden-württembergischen Nahverkehr gesucht. Nur wenige Meter entfernt wurden früher wegweisende Tarifverträge für den öffentlichen Dienst vereinbart. 40 Beschäftigte ließen die beiden Delegationen durch ein Spalier gehen und forderten die Arbeitgeber im Sprechchor zum Einlenken auf. Beide Seiten zeigten sich am Nachmittag zu einer Einigung bereit. (Update 07.14 Uhr: Die Gespräche sind in der Nacht zum Freitag unterbrochen worden).

 

Zwar hatte der Fahrdienst den Bus- und Stadtbahnbetrieb am frühen Morgen nach zwei Streiktagen wieder aufgenommen, bestreikt wurden aber weiterhin der zentrale Servicedienst mitsamt Prüfdienst, Verkehrsmeistern und Fahrerreserve, die Kundencenter Klett-Passage, Charlottenplatz sowie Rotebühlplatz, zudem die Werkstätten und technischen Bereiche.

Wie groß der Verlust für die Stuttgarter Straßenbahnen AG ausfällt, mag SSB-Personalvorstand Reinhold Bauer noch nicht beziffern. Unabhängig vom Einnahmeausfall, müsse das Unternehmen einen sehr hohen Imageschaden verkraften. "Uns gehen dauerhaft Kunden verloren, wenn diese nun Fahrgemeinschaften bilden und damit gut zurechtkommen", sagt Bauer.

Kunden wollen Schadenersatz fordern

Wie viele Beschwerden von Fahrgästen bisher eingegangen sind, sei schwer zu sagen, weil die SSB-Hotline bestreikt werde - nur die VVS-Hotline sei besetzt. Gleichwohl erhalte das Unternehmen bereits "massive Drohungen". So wolle ein Rechtsanwaltsbüro, dessen Kunden wegen des Streiks fernbleiben, seinen gesamten Einnahmeausfall von der SSB ersetzt bekommen. Wollte man die Negativwerbung ausgleichen, "würde dies Hunderttausende Euro kosten", mutmaßt Bauer.

Um wenigstens die Inhaber von Zeitkarten zu entschädigen, "denken wir darüber nach, ob wir ihnen in irgendeiner Weise Gutes tun können", sagt Bauer. Streik sei zwar höhere Gewalt, so dass die SSB dazu nicht verpflichtet sei, doch "tun uns die Leute draußen leid". Wie diese Bevorzugungsregelung aussehen könnte, sei offen.

In normalen Zeiten werden laut Verdi täglich etwa 180 Schwarzfahrer von den Fahrscheinkontrolleuren erwischt - bei Schwerpunktprüfungen sogar 400. Der Streik verhindert diese Einnahmensicherung. Auch berichtet Bauer von Fahrzeugausfällen. Busse und Bahnen zu reparieren, sei gerade nicht möglich. Weil die Gewerkschaft in den Werkstätten nur einen erweiterten Notdienst zulässt, bleiben zudem Arbeiten für andere Firmen liegen. Auch werden Graffiti derzeit nicht entfernt.

Eigenständiger Tarifvertrag möglich

Vor Beginn der möglicherweise entscheidenden Tarifrunde äußerte Bauer - der mit dem Hauptgeschäftsführer der kommunalen Arbeitgeber, Joachim Wollensak, die Delegation anführt - "dass wir endlich mal Punkt für Punkt verhandeln". Die Arbeitgeber seien Verdi schon bei der Hälfte der 20 Forderungspunkte entgegengekommen, so dass die Unternehmen eine um gut drei Prozent höhere Kostenbelastung verkraften müssten. Zum bisherigen Angebot gehörten die Erhöhung des Weihnachtsgeldes, 30 Tage Urlaub für alle Fahrer und vor allem die vage Aussicht auf einen Tarifvertrag nur für Baden-Württemberg. Wenn sich bei den nächsten zwei Tarifrunden für den öffentlichen Dienst in Potsdam zeige, dass die Bedürfnisse des Nahverkehrs dort nicht ausreichend berücksichtigt werden, "schließen wir eigenständige Tarifverhandlungen nicht aus", sagt Bauer.

Nicht eingehen wollten die Arbeitgeber auf die Forderung nach einem Bonus für Gewerkschaftsmitglieder und der Anrechnung von betrieblichen Wegezeiten. Die sechs Stunden monatlich, die ein Fahrer von der Endhaltestelle zum Depot zurücklege, seien bereits in der vergleichsweise üppigen Lohntabelle mit einem Ausgleich von gut 30 Euro pro Stunde enthalten.

SSB und Studenten mindern Streikfolgen

Notdienst Laut SSB wurde die Notdienstvereinbarung für Freitag und Samstag erneut erweitert, um den Einsatz der Nachtbusse und der Stadtbahnlinie U11 zur SWR-Hitparade und zum VfB-Fußballspiel ordnungsgemäß durchzuführen.

Mitfahrgelegenheit Derweil trotzen die Studenten dem Streik: Das Sife-Team der Universität Hohenheim hat in Kooperation mit der Uni und der Gruppe Greening Hohenheim eine studentische Mitfahrgelegenheit gegründet. Das Angebot ist über die Webseite der Universität erreichbar. Jeder Student, der mit dem Auto pendelt, kann hier seine Strecke und Uhrzeit für die Fahrt angeben. Das Portal wird gut angenommen und soll ausgebaut werden.