Sie ist Lebensmittelretterin aus Überzeugung. Schon vor zehn Jahren hat sie in Reutlingen „containert“. „Teils gab es stille Abkommen mit Supermärkten, die ihre Tore offen ließen. Die Lebensmittel wurden in die Abfalltonnen geworfen, wir fischten sie dann wieder raus – ein richtiges Theaterstück!“ Sogar der Polizei sei es bei einer Kontrolle unangenehm gewesen, die schmutzigen Lebensmittel in ihr sauberes Auto zu laden. Durch Foodsharing werde das Wegwerfproblem endlich „auf vernünftiger Ebene“ sichtbar, sagt sie.

 

Vor drei Jahren entstand Foodsharing aus einer bereits bestehenden Szene von Lebensmittelrettern in Berlin und Hamburg. Sie hatten den Wunsch, die verloren gegangene Wertschätzung von Essen neu zu beleben und die Menschen zu mehr Eigeninitiative zu ermutigen. Im Dezember 2012 ging die Website online. Inzwischen machen 12 000 Leute mit.

300 Botschafter koordinieren die sogenannten Foodsaver in den Städten, Regionen und Bundesländern. Der Filmemacher Valentin Thurn ist Initiator und Vorsitzender des ehrenamtlichen Vereins. Bis heute wurden über die Plattform fast 3000 Tonnen Lebensmittel in 200 000 Rettungseinsätzen vor der Tonne bewahrt.

Tatjana Matter schiebt den Rollwagen mit den Restekisten über das Kopfsteinpflaster. Im Gehen ruft sie noch fröhlich „danke“ und beginnt gleich, die Lebensmittel in ihren Fahrradanhänger zu laden. Seit August 2014 kümmert sie sich um Kooperativen mit ausgewählten Tübinger Lebensmittelläden. Aktuell sind es sieben. Dass es bei den regelmäßigen Abholungen nicht zwangsläufig um große Mengen geht, ist ihr wichtig: „Ein Brot ist ja nicht nichts!“ Wenn die Reste gut mit nur einem Fahrrad zu transportieren sind, freut sie sich. „An einem Samstag ist mir die Achse des Anhängers gebrochen, so beladen war ich.“

In der Weihnachtszeit muss besonders viel gerettet werden

In der Weihnachtszeit erhöht sich die Menge der zu rettenden Lebensmittel drastisch. „Die Supermärkte wollen natürlich den Ansprüchen der Kunden gerecht werden“, sagt Tatjana Matter. Genau zu kalkulieren, wie viel tatsächlich gekauft werde, sei aber schwierig. Das Resultat: viele Reste. Hinzu komme, dass Foodsharing in den Weihnachtsferien für die Tübinger Tafel einspringe, also mehr abhole als sonst. „In der Weihnachtszeit sind wir immer auf der Suche nach Autos, mit denen wir große Mengen abholen und verteilen können.“

In Deutschland werden jährlich 18 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Weltweit landet jedes dritte produzierte Lebensmittel im Müll. In jedem einzelnen stecken Arbeitszeit, Ressourcen, zum Teil lange Transportwege und Geld. „Viele Leute haben sich inzwischen von dem, was sie essen, völlig entfremdet. Joghurts werden zwei Tage vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums nicht mehr gegessen“, sagt Tatjana Matter. In dem Konsumverhalten spiegle sich unser widersprüchlicher Lebensstil. Einerseits sei frisches Essen heute ein Statussymbol, „andererseits schmeißen die Leute so viel weg“. Die Menge der Lebensmittel, die jährlich in Privathaushalten weggeworfen werden, sagt Tatjana Matter, übersteige sogar die Menge der Reste in den Supermärkten: „82 Kilogramm pro Person.“ Viele beschwerten sich über zu hohe Lebensmittelpreise, „kaufen aber immer mehr, als sie brauchen. Und werden trotzdem nicht satt.“

Dass das Wegwerfen von Lebensmitteln mehr als eine Privatsache ist und in direktem Zusammenhang mit dem Klimawandel sowie dem weltweiten Kampf um Land und Getreidepreise steht, zeigte der Stuttgarter Dokumentarfilmer Valentin Thurn vor fünf Jahren mit „Taste the Waste“. Der Film machte das Thema Lebensmittelverschwendung weit über die Ökoszene hinaus bekannt. „Die Deutschen sind Weltmeister darin, Lebensmittel wegzuwerfen, ohne mit der Wimper zu zucken“, sagt Tatjana Matter. „Wir manipulieren den Weizenpreis, weil wir es uns leisten können, Brot in Unmengen wegzuwerfen.“

Inzwischen machen 12 000 Leute mit

Sie ist Lebensmittelretterin aus Überzeugung. Schon vor zehn Jahren hat sie in Reutlingen „containert“. „Teils gab es stille Abkommen mit Supermärkten, die ihre Tore offen ließen. Die Lebensmittel wurden in die Abfalltonnen geworfen, wir fischten sie dann wieder raus – ein richtiges Theaterstück!“ Sogar der Polizei sei es bei einer Kontrolle unangenehm gewesen, die schmutzigen Lebensmittel in ihr sauberes Auto zu laden. Durch Foodsharing werde das Wegwerfproblem endlich „auf vernünftiger Ebene“ sichtbar, sagt sie.

Vor drei Jahren entstand Foodsharing aus einer bereits bestehenden Szene von Lebensmittelrettern in Berlin und Hamburg. Sie hatten den Wunsch, die verloren gegangene Wertschätzung von Essen neu zu beleben und die Menschen zu mehr Eigeninitiative zu ermutigen. Im Dezember 2012 ging die Website online. Inzwischen machen 12 000 Leute mit.

300 Botschafter koordinieren die sogenannten Foodsaver in den Städten, Regionen und Bundesländern. Der Filmemacher Valentin Thurn ist Initiator und Vorsitzender des ehrenamtlichen Vereins. Bis heute wurden über die Plattform fast 3000 Tonnen Lebensmittel in 200 000 Rettungseinsätzen vor der Tonne bewahrt.

Tatjana Matter schiebt den Rollwagen mit den Restekisten über das Kopfsteinpflaster. Im Gehen ruft sie noch fröhlich „danke“ und beginnt gleich, die Lebensmittel in ihren Fahrradanhänger zu laden. Seit August 2014 kümmert sie sich um Kooperativen mit ausgewählten Tübinger Lebensmittelläden. Aktuell sind es sieben. Dass es bei den regelmäßigen Abholungen nicht zwangsläufig um große Mengen geht, ist ihr wichtig: „Ein Brot ist ja nicht nichts!“ Wenn die Reste gut mit nur einem Fahrrad zu transportieren sind, freut sie sich. „An einem Samstag ist mir die Achse des Anhängers gebrochen, so beladen war ich.“

In der Weihnachtszeit muss besonders viel gerettet werden

In der Weihnachtszeit erhöht sich die Menge der zu rettenden Lebensmittel drastisch. „Die Supermärkte wollen natürlich den Ansprüchen der Kunden gerecht werden“, sagt Tatjana Matter. Genau zu kalkulieren, wie viel tatsächlich gekauft werde, sei aber schwierig. Das Resultat: viele Reste. Hinzu komme, dass Foodsharing in den Weihnachtsferien für die Tübinger Tafel einspringe, also mehr abhole als sonst. „In der Weihnachtszeit sind wir immer auf der Suche nach Autos, mit denen wir große Mengen abholen und verteilen können.“

Tatjana Matter koordiniert alle Foodsaver in Tübingen. „Foodsharing hat sich für mich zeitweise zu einem Halbtagsjob entwickelt“, sagt die hauptberufliche Bildhauerin, Lehmbauerin, Steinmetzin und Mutter zweier Kinder. Zurzeit besucht sie die Meisterschule, um sich danach selbstständig zu machen. Wie alle Foodsharing-Botschafter hat sie sich dazu verpflichtet, der Organisation mindestens fünf Stunden pro Woche zu widmen. „Mit dem Abholen der Lebensmittel ist es ja nicht getan. Vor Ort müssen auch Leute dahinterstehen, die Zeit haben zu kochen“, sagt sie. Zum Foodsharing-Lebensstil gehört nämlich, spontan einen großen Topf Karottensuppe zu kochen, weil gerade eine Kiste Möhren reingekommen ist.

In Tübingen konnte Foodsharing schnell wachsen, weil die Stadt mit ihren zahlreichen alternativen Wohnprojekten einen idealen Nährboden darstellte. In den Wagenburgen oder den Wohnprojekten in der Ludwigstraße 15 gibt es öffentliche „Fair-Teiler-Stationen“, aus denen jeder etwas nehmen oder in die jeder etwas reinlegen darf. „Das kann auch selbst gemachte Marmelade sein, von der man ja immer viel zu viel macht“, sagt Matter.

Brücken bauen mit Lebensmittel

Für Anfang des nächsten Jahres plant Tatjana Matter eine Reihe von Koch-Abenden mit Flüchtlingen. „Die Aktionen sind Brücken. Man lernt Menschen kennen, die man sonst nie getroffen hätte, kocht zusammen, isst zusammen.“ Oder man pflückt gemeinsam Äpfel: Foodsharing bedeutet auch, mit Bauern zu sprechen, auf abgeerntete Felder zu gehen und Handlese zu machen. Oder Künstler und Besucher des Sommerateliers mit selbst gekochten Gerichten aus geretteten Lebensmitteln zu verköstigen. Umsonst natürlich.

In der Weststadt schaut Tatjana Matter bei der Gruppe 91 vorbei, noch so ein besonderes Wohnprojekt. Linda Li, Tübinger Original und Herzstück des Künstlerkollektivs rund um den 2006 gestorbenen Maler und Bildhauer Herbert Rösler, wartet schon vor der Tür. Die Mitbewohnerin Dina Linicke steht auch dabei. Die Frauen umarmen einander zur Begrüßung. Die von Tatjana geretteten Lebensmittel werden Linda und Dina am Wochenende an Freunde und Nachbarn verteilen. „Für mich ist es wichtig zu wissen, dass die Sachen unentgeltlich weitergegeben werden“, sagt Tatjana Matter, „ich trage die Verantwortung.“

Während sie sich mit leichtem Gepäck auf den Weg zu den Ziegen macht, sitzt ihr Foodsharing-Kollege Raimon im Bistrobereich eines Bioladens am Bahnhof. Vor der Brottheke steht eine Schlange Kuchenhungriger. Nach Ladenschluss wird Raimon wie jede Woche übrig gebliebenes Essen mitnehmen. Er habe durch Foodsharing wieder ein Bewusstsein dafür entwickelt, was er wirklich brauche, sagt der 29-Jährige. „Hier steht das Lebensmittel im Mittelpunkt.“ Oft verschenkt er schon auf dem Rückweg süße Stückchen an Straßenmusiker oder an Bekannte, die ihm begegnen. „Foodsharing ist für mich eine Inspiration für mehr Vertrauen. Eine Lektion auch im Schenken und Annehmen.“

Für den gelernten Bäcker und Fahrradmechaniker steht die Qualität der Lebensmittel „und damit die Qualität des Lebens“ im Vordergrund. „In dem hochgradigen Überfluss, in dem wir leben, ist das Teilen eine wunderbare Erfahrung.“