Ein Fall, der die Ermittler an Natascha Kampusch erinnert, und eine Liebesaffäre der Kommissarin. Trotzdem kommt aus Hannover ein verblüffend gewöhnlicher Krimi.

Stuttgart - Dieser Tatort verstört. Denn es handelt sich weder um Slapstick-Comedy, noch um Krimi gewordene politische Korrektheit und er ist auch keine Zitier-Orgie für Cineasten. Es geht die ganze Zeit tatsächlich nur darum, herauszufinden, wer der Mörder ist. Mit anderen Worten: es ist ein ganz normaler Krimi. Klingt verrückt, aber genau das war ja mal das Konzept eines Fernsehkrimis der Marke Tatort. Das heißt: ganz so klassisch ist der Mordfall, den Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) zu lösen hat, dann doch wieder nicht. Denn der Tote ist ein Mann, der ein Mädchen entführte und es so lange in seinem Verließ gefangen hielt, bis es eine junge Frau war. Und das erinnert nicht nur den Zuschauer an den Fall Natascha Kampusch, das sagt sogar die örtliche Kriminalbeamtin Sigrid Malchus (Inka Friedrich) selbst. Mit so offenen Inspirationskarten spielen Drehbuchautoren nur ganz selten.

 

Der Fall beginnt mit einem Unfall. Lindholm setzt ihren Dienstwagen gegen Grenzstein in einem seltsamen Dorf, in dem der einzige Hilfsbereite der Entführer ist. Sekunden nach der Begegnung fliegt dessen Haus in die Luft. So ist Lindholm zufällig gleich am Tatort eines Mordfalls, hinter dem die grausame Tat des Mordopfers erst ganz langsam offenkundig wird. Der Tote führte ein Doppelleben. Nach seinem Halbtagsjob als Staplerfahrer, fuhr er zu einer Laube im Wald, wo er das entführte Mädchen gefangen hielt - in einem Verließ, einer schaurigen Mischung aus liebevollem Kinderzimmer und Gefängniszelle mit Handschellen. Das entfühte Mädchen konnte offenbar fliehen. Ist das die Mörderin? Waren es die Eltern? Oder doch die Ehefrau, die von all dem nichts gewusst haben will?

Es geht auch ohne Psychologie

Ohne zu psychologisieren nimmt der Tatort aus Hannover das grausame Verbrechen als Hintergrund, um einen Mordfall zu schildern. Nur einmal analysiert Lindholm, dass es dem Täter wohl "um Macht" gegangen sei. Darauf zu kommen ist, mit Verlaub Frau Kommissarin, nicht besonders kompliziert. Dennoch ist es bemerkenswert, dass dieser Tatort eben nicht mit Rückblenden versucht, sich auf den Täter zu konzentrieren, sondern ganz bei seinen Opfern und beim Mord bleibt. Nur einmal nimmt eine Tonaufnahme den Zuschauer mit in die grausame Welt des machtbesessenen Entführers.

Regisseur Roland Sudo Richter verlässt sich ansonsten ganz auf starke Bilder. Zeigt die klaustrophobische Enge des Verstecks, lässt seine Figuren oft allein in großen Bildern stehen. So gelingt es, die Ermittlungen und Verhöre glaubhaft und kurzweilig voranzutreiben, ohne den Entführungsfall zu verharmlosen.

Kühle Ermittlungen, heiße Affäre

Lindholm ist wieder die fast zu kühle Ermittlerin. Heißblütig darf sie nur dann werden, wenn es um ihre eigene Romanze geht - diesmal gespielt von Benjamin Sadler. So unvernünftig und naiv kennen wir Lindholm sonst gar nicht.

Gute Darsteller bis in die Nebenrollen machen den Tatort "Schwarze Tiger, weiße Löwen" sehenwert. Ein Krimi so solide wie Autos aus Wolfsburg. Kein Tatort, den man lange in Erinnerung halten wird, aber auch nicht so holzschnittartig wie in dieser Parodie, die derzeit im Netz kursiert:

Schlimmster modischer Fehlgriff: Ist dieses Mal ein Fehltritt - Stöckelschuhe, in denen Polizistin Sigrid Malchus durch den Tatort stakst.

Heimliche Stilikone: Wieder Malchus. Eine Dienstwaffe am Rock. Sieht seltsam cool aus.

Typische Krimifloskel: "Zeigen Sie mir erst einmal Ihren Dienstausweis!"

Gefühlter Moment, in dem der Fall gelöst ist: Für Krimiprofis etwas zu früh.

Tatort "Schwarze Tiger, weiße Löwen", Sonntag, 11. Dezember, 20.15 Uhr in der ARD und in der Mediathek.