Der Tatort aus Kiel will ein Schwedenkrimi sein. Sibel Kekelli gibt ihren Einstand - und Kommissar Borowski weiß nicht, wie ihm geschieht.

Stuttgart - Manchmal macht es einem das Fernsehen ganz leicht. Eine Psychopathin ist in einem Kriminalfilm zum Beispiel daran zu erkennen, dass sie: 1. Aus dem Fenster starrt und klassische Musik hört. 2. Eine Zigarette in ihrer Handfläche ausdrückt, ohne vor Schmerz auch nur das Gesicht zu verziehen. 3. Tiere quält. Im neuen Kieler Tatort "Borowski und die Frau am Fenster" erfüllt Charlotte Delius zuschauerfreundlicherweise gleich alle Kriterien. Aber nicht nur deshalb nimmt man Schauspielerin Sibylle Canonica die (mindestens) gespaltene Persönlichkeit gerne ab. Sie spielt die nach außen so freundliche und zuvorkommende Tierärztin vom Land einfach gut. Übrigens ist sie auch die Mörderin.

 

Keine Sorge, damit ist nicht zu viel verraten. Wer am Sonntagabend den Tatort sehen will, kann das immer noch tun, ohne auf die Spannung zu verzichten. Denn Drehbuchautor Sascha Arango zeigt gleich zu Beginn des Films Mord und Täterin. So bleiben noch mehr als 70 Minuten Zeit, aus Sicht der Mörderin zu erzählen, es entsteht ein spannendes, wenn auch teils banales Psychogram. Aber vielleicht sind Menschen manchmal so.

Valeska muss weg

Zum Beispiel krankhaft eifersüchtig. Ihrem tätowierten Nachbarn, dem Streifenpolizisten Hans Nielsson lauert Tierärztin Delius regelmäßig auf. Sie kann es nicht ertragen, mit anzusehen, wie dessen etwas ordinär gekleidete neue Freundin Valeska ins ländliche Einfamilienhaus-Idyll einfällt. Charlotte Delius zieht Konsequenzen - und vergiftet Nielssons Hund. Wie erwartet bringt der Herr Nachbar am Abend den Hund in ihre Praxis - zum Unmut der Tierärztin ist aber auch Freundin Valeska dabei. Wie eine Schlange giftet Delius die Kontrahentin an. Und irgendwo da muss der Entschluss fallen, dass sie noch weiter gehen muss.

Das macht Frau Doktor dann am nächsten Tag. Mit einem riesigen Elektroschocker, mit dem man normalerweise Vieh tötet, bringt Delius Valeska im Nachbarwohnzimmer um. Den Tatort verlässt sie nicht nur sauber, sondern veterinärklinisch rein. Es wäre das perfekte Verbrechen. Würde sie nicht ein Detail am Tatort übersehen. Aber der Kommissar soll ja schließlich auch noch was zu tun haben.

USB-Stick gegen Klapphandy

Axel Milberg glänzt einmal mehr in der Rolle des nachdenklichen, aber nie behäbigen Klaus Borowski. Diesmal bekommt er mit Polizeianwärterin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) eine Partnerin an die Seite gestellt, das heißt: eigentlich stellt sie sich selbst an seine Seite. Es beginnt ein unterhaltsames Scharmützel zwischen den beiden, das nur ganz selten überzeichnet ist. Etwa dann, wenn Brandt Sätze sagt wie "Ich hab's auf den USB-Stick gezogen", während Antagonist Borowski immer noch mit seinem alten VW zum Tatort fährt und ein Handy aus dem vergangenen Jahrhundert benutzt und gar nicht weiß, wie ihm geschieht.

Kekillis überzeugendes Spiel der blitzgescheiten Polizistin, eine gut erzählte Geschichte, die bisweilen an Schwedenkrimis erinnert, und sogar ein amüsanter zweiter Erzählstrang machen diesen Kieler Tatort sehenswert.

Schönste Krimifloskel: "Wenn ich in zehn Minuten nicht wieder da bin, dann rufen Sie die Polizei" (Borowski).

Schlimmster modischer Fehlgriff: Valeskas Oberteil im Leopardenlook. Daruter trägt sie etwas Rosafarbenes.

Gefühlte Minute, in der der Fall gelöst ist: Gleich zu Beginn. Aber das macht nichts.

Der Tatort "Borowski und die Frau am Fenster" ist am 2. Oktober um 20.15 Uhr in der ARD zu sehen - und in der ARD-Mediathek.