Menschenhandel, Lebensmittelskandale, Korruption: Der Tatort aus Wien nimmt sich viel vor – und ist trotzdem eleganter als die meisten deutschen Filme der Reihe.

Stuttgart - Für Menschen aus Europa sehen alle Asiaten erst einmal gleich aus. Heißt es. Umgekehrt soll das Phänomen übrigens genau so gelten. Egal, ob das wirklich so stimmt, ganz gleich was die wissenschaftliche Erklärung dahinter sein könnte: Das Gesicht von Tsao Kang ist in diesem Moment für jeden unverwechselbar. Verschwitzt, verwundet und verwirrt stürmt er ein chinesisches Restaurant. Er ist außer sich, schlägt in seiner Wut und Verzweiflung die Glasfront ein.

 

Schnitt.

Ein Hafen. Aus einem Container, der am Kran hängt, fließt Wasser in Strömen. Arbeiter sehen nach, was mit der Fracht passiert ist. Ein undefinierbarer Warenhaufen aus Verpackungen und Lebensmitteln kommt zum Vorschein und dazwischen: drei gefrorene Leichen. Asiaten. „Das passiert in meiner Schicht. Eh klar“, sagt einer der Arbeiter im breitesten Wiener Dialekt. Offenbar sollten die Männer illegal nach Österreich gebracht werden.

Die Untiefen von Menschenhandel und Korruption

Chefinspektor Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und seine Assistentin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) nehmen die Ermittlungen auf. Es beginnt eine Reise durch die Untiefen von Menschenhandel und Korruption, Lebensmittelskandalen und kommissarischen Selbstzweifel. Und das Bemerkenswerte ist: das wird alles so elegant erzählt, dass man dem Tatort aus Wien “Falsch verpackt” (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD und in der Mediathek) diese vielen schweren Themen leicht verzeiht.

So gibt es als nächstes keinen erhobenen Zeigefinger, sondern eine abgehackte Hand. Die gehörte Tsao Kang. Der Rest von ihm ist in diversen Hinterhöfen verteilt. Es ist ein ziemlich blutiger Tatort. Der Verdacht fällt zunächst auf Inkasso-Heinzi. Ein Kleinkrimineller wie aus dem Bilderbuch - und Bibi Fellners Freund. Darüber bekommen sich Eisner und seine Assistentin zum ersten Mal so richtig in die Wolle. Es soll nicht das letzte Mal gewesen sein. Und anders als bei vielen anderen Ermittler-Duos wirkt das überhaupt nicht aufgesetzt, sondern, doch ja: authentisch.

„Der Europäer ist ein Brustesser“

Überhaupt sind die Figuren in diesem Tatort das eigentliche Erfolgsrezept. Da ist Oskar Welt (Erwin Steinhauer), bei der Fremdenpolizei Sektionschef - Ränge sind in Österreich ja immer besonders wichtig. Ein Unsympath, der die chinesische Küche liebt und gleichzeitig überteuerte Bruchbuden an Chinesen vermietet, deren Aufenthalt er zuvor genehmigt hat. Ausgerechnet er will Botschafter der asiatischen Kultur sein, betrachtet den Mord als „innerchinesische Angelegenheit“ und erklärt, dass bei Tsao Kang der Vorname Kang ist: „Die Chinesen sagen das wie bei uns: der Eisner Moritz.“

Ebenso großartig: Martin Brambach als schmieriger Geflügelfleischhändler Klaus Müller. Immer mit dem Headset am Ohr sagt er Sätze wie: „Der Europäer ist ein Brustesser“ oder “Hühner sind stark im Kommen”. Auch er ist Teilhaber an der Gesellschaft, die Wohnungen an Chinesen vermietet - mal davon abgesehen, dass sein Fleisch nicht so 1A ist, wie er immer behauptet.

Ein Kopf im Gefrierfach

Dass es einen Zusammenhang zwischen den Toten im Container und dem getöteten Tsao Kang gibt, ist schnell klar. Trotzdem bleibt der Tatort spannend. Die geheimnisvolle Restaurantbesitzerin Gú Bao (Nahoko Fort-Nishigami) und die Hammond-Orgel-Musik verleihen dem Film Coolness. Und manchmal hat er sogar münsteraner Momente - etwa wenn Eisner den abgeschnittenen Kopf von Tsao Kang im eigenen Gefrierfach aufbewahrt.

„Alt, dick und blöd“, sei er, sagt Eisner einmal weinend über sich selbst. Alles Quatsch. Dieser Tatort ist sehenswert. Und sein Ermittlerteam cool und doch sehr menschlich.

Heimliche Stilikone: Polizistin Claudia Wiesner. Sie tritt in wechselnden Garderoben im Stil der 60er Jahre auf, die auch den Damen in der US-Serie Mad Men gut stehen würden. Ob Moritz Eisner ein Don Draper ist, muss allerdings jeder für sich entscheiden.

Schönste Krimifloskel: „Wo ist die Leiche?” “Wie immer.” Dialog zwischen Bibi Fellner und einem Polizisten an einem Tatort, dem die Leiche fehlt.

Gefühlter Moment, in dem der Fall gelöst ist: Erst fünf Minuten vor Schluss. Und auch dann ist noch nicht alles klar.