Zu viele Klischees belasten die Glaubwürdigkeit. Auch wenn man das Anliegen des jüngsten „Tatorts“ aus Hannover für ehrenvoll hält, können die „Wegwerfmädchen“ nicht überzeugen, findet unser Kritiker.

Stuttgart - Mädchen, die wie Müll in Säcke und wie Stückgut in Container verfrachtet werden. Eine junge Frau, die sich aus einem Abfallhaufen herausarbeitet, halb nackt und verletzt. Das waren Bilder, die sich einprägten. Dieser „Tatort“ konnte einen tatsächlich zornig machen. Darüber, dass Frauen wie Dreck behandelt werden. Im Film und in der Realität.

 

Das Anliegen in Ehren, aber Subtilität kann man der Regisseurin Franziska Meletzky nicht vorwerfen. Die tätowierte Horde „Hunnen“ in Leder – ein Machoklischee der Extraklasse. Und wenn Tränen über die Mädchenwange flossen, fuhr die Kamera dicht heran. Und schließlich kämpfte die Kommissarin Lindholm allein gegen die Männerwelt, eine Paraderolle für Maria Furtwängler, aber es ging überkorrekt und vorhersehbar zu: Mit dem Staatsanwalt und mit Freund Jan stritt sie über Puffbesuche, spätabends stutzte sie über einschlägige Werbeclips im Privatfernsehen. Der „Tatort“, man merkte es, wollte eine Botschaft unters Volk bringen.

Das ging auf Kosten von Spannung und Glaubwürdigkeit. Die feine Gesellschaft tat das Erwartbare und schickte ihren schmierigen Anwalt vor. Natürlich steckten alle unter einer Decke, auch der Arzt, was sofort ohne Not enthüllt wurde. Bisweilen wurde es absurd: Da wurde die wichtigste Zeugin in eine sichere Polizeiwohnung gebracht, begleitet von der Dolmetscherin – und da sollte es verboten sein, der ermittelnden LKA-Beamtin die Adresse mitzuteilen?

Fortsetzung folgt. Am nächsten Sonntag geht es im ersten zweiteiligen „Tatort“ der ARD-Geschichte wohl dem Immobilienhändler Kaiser an den Kragen, den Bernhard Schir wie eine Karikatur der Maschmeyers dieser Welt spielte. Der „Tatort“ arbeitet eben daran, dass dieses Land jede Woche ein Stückchen besser wird.