Die ARD startet an diesem Sonntag mit einem Schweizer „Tatort“ in die Krimisaison. Neuerungen beim „Polizeiruf 110“: dort gibt es nun auch Doppelfolgen.

Stuttgart - Nach zwei Monaten Sommerpause, in denen die ARD an den Sonntagabenden nur Wiederholungen zeigte, beginnt nun endlich wieder die Zeit der Erstausstrahlungen. Der Herbst beginnt, wie der Frühsommer endete: mit einem „Tatort“ aus der Schweiz. Acht Episoden lang waren die Krimis aus Luzern mal mehr, mal weniger gelungen, aber nie herausragend. Der neunte Film aber ist wie ein Paukenschlag: „Ihr werdet gerichtet“ ist ein von der ersten bis zur letzten Minute packender Thriller und mit Abstand der bislang beste „Tatort“-Beitrag des Schweizer Fernsehens. Schon die Geschichte ist ungewöhnlich: ein scheinbar unbescholtener Mitmensch tötet Männer, die Verbrechen begangen haben, aber nie oder zu milde verurteilt worden sind. Auch die Inszenierung ist ungewöhnlich. Florian Froschmayers Umsetzung erinnert gerade auch dank der optisch aufwendigen modernen Bildgestaltung eher an einen Kinofilm.

 

Die Schweizer geben mit diesem Auftakt natürlich einen hohen Maßstab vor, dem aber auch der nächste „Tatort“ mit dem Titel „Hinter dem Spiegel“ gerecht wird (13. September). Der zweite Fall des Teams aus Frankfurt, knüpft inhaltlich und qualitativ nahtlos an die Premiere „Kälter als der Tod“ an. Hauptkommissar Brix (Wolfram Koch) muss sich nicht nur für die Todesschüsse rechtfertigen, mit denen der erste Fall endete, sein früherer Chef (Justus von Dohnányi) will ihm auch noch die Ermordung eines korrupten Kollegen in die Schuhe schieben. Natürlich ist klar, dass Brix kein Krimineller ist, und auch Kollegin Janneke (Margarita Broich) geht davon aus; aber sicher kann sie sich nicht sein. Eine weitere Rückblenden-Ebene weckt zusätzliche Zweifel, und schon allein die optischen Verknüpfungen dieser beiden Handlungsstränge sind kleine Kunstwerke. Dass es Buch und Regie allem tödlichen Ernst zum Trotz gelingt, kleine Comedy-Momente einzustreuen, ist vielleicht das Verblüffende an diesem rundum gelungenen Krimi, der bis zum Schluss immer wieder Überraschungen zu bieten hat.

Der nächste Schweiger-„Tatort“ kommt als Zweiteiler

Dieses Überraschungsmoment soll ab sofort offenbar grundsätzlich für den Sonntagskrimi gelten. Deshalb gibt es auch beim „Polizeiruf“ eine Innovation. Unterschiedliche „Tatort“-Teams haben schon öfter zusammengearbeitet, aber beim „Polizeiruf“ gab es das bislang ebenso wenig wie einen Zweiteiler – auch das hatten die Ermittler vom „Tatort“ ihren TV-Kollegen voraus.

Rund um den Tag der Deutschen Einheit werden die Ermittlerteams aus Rostock (Anneke Kim Sarnau, Charly Hübner) und Magdeburg (Claudia Michelsen, Sylvester Groth) in eine Geschichte verwickelt, die bis ins Jahr 1990 zurückreicht, als sämtliche volkseigenen Betriebe der DDR vorübergehend der Treuhandanstalt unterstellt waren. Für Drehbuch und Regie des Zweiteilers „Wendemanöver“ (27. September und 2. Oktober) war Eoin Moore verantwortlich, der Schöpfer des Duos aus Rostock.

Offenbar hat die ARD Geschmack daran gefunden, Sonntagskrimis als Zweiteiler zu erzählen, denn auch der nächste Fall mit Til Schweiger als Hamburger „Tatort“-Kommissar Nick Tschiller wird in zwei Teilen erzählt; die Filme heißen „Schwarzer Ritter“ und „Fegefeuer“, die Ausstrahlungen sind für die beiden letzten Novemberwochenenden geplant.

Münster liegt in der Quote vorn

Bislang haben sich Tschiller und sein Freund Gümer (Fahri Yardim) jedes Mal ein Quotenwettrennen mit den Kollegen Thiel und Boerne geliefert. Die Hamburger haben eine rekordverdächtige Zuschauerzahl vorgelegt, die Münsteraner haben nachgezogen und die Quote noch gesteigert. Zuletzt konnten Axel Prahl und Jan Josef Liefers zweimal hintereinander Bestwerte erzielt: „Mord ist die beste Medizin“ war mit 13,13 Millionen Zuschauern der erfolgreichste Fernsehfilm des Jahres 2014. „Erkläre Chimäre“ hat im Mai dieses Jahres zwar nicht ganz so viel Publikum erreicht (13,01 Millionen), aber dafür mit 37,2 Prozent den höchsten Marktanteil einer „Tatort“-Folge seit 1992 erzielt. Den nächsten Fall mit dem ungleichen Duo, „Schwanensee“, strahlt die ARD voraussichtlich am 8. November aus.

In Münster werden die Krimis mit Prahl und Liefers gern vorab im Kino gezeigt. In diesen Genuss kommen demnächst auch die Fans der beiden Bundespolizisten Thorsten Falke und Katharina Lorenz (Wotan Wilke Möhring und Petra Schmidt Schaller), deren neuer Fall („Verbrannt“) eine Woche vor der TV-Ausstrahlung am 11. Oktober in 160 Kinos zu sehen ist. Von vorneherein fürs Kino gedreht wurde „Nick außer Dienst“, ein weiterer Film mit Schweiger und Yardim; er wird Anfang des nächsten Jahres starten. Die Dreharbeiten sind in diesem Sommer beendet worden. Regie führt wie bei allen bisherigen Tschiller-Fällen Christian Alvart.

Heike Makatsch ermittelt in Freiburg

Im kommenden Jahr wird es weitere Veränderungen bei den Teams geben. Die einen gehen, die anderen kommen. Klara Blum und ihr treuer Perlmann (Eva Mattes und Sebastian Bezzel) werden zum letzten Mal Mörder am Bodensee jagen, dafür wird der MDR mit Karin Hanczewski, Alwara Höfels und Jella Haase als Nachfolgerinnen für Simone Thomalla und Martin Wuttke erstmals ein rein weibliches Team ins Quotenrennen schicken. Den Chef des Trios spielt Martin Brambach, der damit seinen vielen Rollen dieser Art (unter anderem in der ZDF-Reihe „Unter anderen Umständen“) eine weitere hinzufügt. Vermutlich zu Ostern wird Heike Makatsch als Ermittlerin in Freiburg ihr aller Voraussicht nach einmaliges Gastspiel für den SWR erleben.

Den skurrilsten „Tatort“ zeigt die ARD kurz nach Weihnachten. Der Hessische Rundfunk, seit vielen Jahren zuverlässiger Produzent exzellenter Sonntagskrimis, hat mit Ulrich Tukur schon Großartiges vollbracht, allen voran den herausragenden Großstadt-Western „Im Schmerz geboren“. Mit „Wer bin ich?“ setzt der HR noch eins drauf. Der Film ist ein Krimi innerhalb des Krimis. Als es bei Dreharbeiten zum neuen „Tatort“ einen Mord gibt, gerät auch der Hauptdarsteller Tukur in Verdacht.