Das Live-Erlebnis ist durch keine digitale Spielerei zu ersetzen. Festivals locken Zehntausende mit analoger Nähe zu Künstlern. Der kesselnde Wasen kochte – das Stadion bei Phil Collins auch. Seit Freitag feiert der SWR sein Sommerfestival.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Kein Stream, kein Smartphone und kein Youtube-Video bringt die Fans so nah an ihre Stars wie eine Bühnenshow. In diesen Wochen können wir’s an vielen Orten in Stuttgart erleben. Viel Sound liegt in der Luft! Schon zum Auftakt eines spannenden Stuttgarter Festivalsommers zeigte sich vor einer Woche auf dem Wasen, wie groß die Sehnsucht in digitalen Zeiten nach gemeinsamem Feiern, Tanzen und Mitfiebern ist. Der Andrang beim ersten Kessel-Festival war so gewaltig, dass es teilweise zu chaotischen Zuständen an den Getränkeständen kam. Aus Fehlern werden die Veranstalter lernen, wenn sie im nächsten Juni erneut zum kollektiven Kesseln bitten.

 

Wenige Tage später hat Phil Collins etwa 40 000 Fans in der Mercedes-Benz-Arena beglückt, auffallend viele Jüngere waren im Publikum. Die Lobeshymnen in den sozialen Medien könnten kaum größer sein. Nicht wenige Konzertfreunde kamen ohne Karten zum Stadion. Als Zaungäste wollten sie von außen ein bisschen vom Live-Erlebnis mitbekommen – vom Live-Erlebnis eines Konzerts, das neben der großen Begeisterung auch für Wehmut sorgte.

Die Leinwand auf dem Schlossplatz wurde tiefer gehängt

Wird es das letzte Mal sein, den gesundheitlich angeschlagenen Ausnahmekünstler zu sehen? Das innige Verhältnis des britischen Superstars und seines 18-jährigen Sohns Nicholas Collins, der am Schlagzeug saß, hat viele berührt. Für den Schwarzmarkt ist es immer gut, wenn ein Open Air nicht ausverkauft ist. Kurz vor Konzertbeginn gab es Karten für 60 Euro, die regulär das Doppelte gekostet hätten. Da freut man sich! Viele, die Geld mit Collins machen wollten, hatten sich verspekuliert.

Ein bisschen wie Rockstars fühlen sich Richy Müller und Felix Klare, die „Tatort“-Kommissare, wenn sie vor 5000 Zuschauern die Schlossplatz-Bühne betreten. Traditionell hat der SWR am Freitagabend sein Sommerfestival mit der Premiere einer neuen Stuttgart-Folge gestartet. Das Wetter hielt. Aus Sorge, ein Sturm könne über den Schlossplatz fegen und die in der Höhe hängende Leinwand beschädigen, ließen die Veranstalter diese weit nach unten fast auf den Bühnenboden. Der 24. Fall trägt den Titel „Hüter der Schwelle“ und nicht „Verhütung der Schwellung“, wie Klare scherzte. Es geht um Okkultismus. Zu sehen ist die Folge im Herbst. Auf der Bühne bat der scheidende Intendant Peter Boudgoust: „Bleiben Sie dem SWR treu.“

Bereits am Nachmittag durfte StN-Leserin Sabine Breymayer mit ihrer Mutter Gerlinde Staab die beiden Hauptdarsteller im Schloss treffen – sie hatte das „Meet and Greet“ bei unserer Verlosung gewonnen.

Bob Dylan mag es nicht, wenn im Konzert fotografiert wird

Bis Pfingstmontag wird im Herzen der Stadt mit Pop, Poesie und Schlager gefeiert (am Sonntag ist bei SWR 4 Vannessa Mai dran, am Tag darauf bei SWR 3 Joris). Das Neue Schloss bietet die perfekte Kulisse. Auf diesen traumhaften Konzertplatz können sich auch die Fans der Jazz Open freuen, die Mitte Juli mit etlichen Höhepunkten aufwarten. Ausverkauft sind bereits Bob Dylan und Sting . Bereits vom 4. bis zum 7. Juli lockt der Konzertsommer mit Cro, Max Herre und Andreas Bourani zum Mercedes-Museum. Schöner geht’s nicht, als bei einem Konzerthöhepunkt mittendrin zu sein.

Wer meint, alles mit dem Handy filmen zu müssen, tritt nicht nur hinter das eigentliche Geschehen – er könnte auch von Bob Dylan ermahnt werden. In Wien hatte dieser sein Konzert unterbrochen, weil ihn eine Smartphonekamera störte. „Wir können spielen, oder wir können posieren“, hatte er von der Bühne gerufen.