Nora Tschirner und Christian Ulmen balancieren in ihrem „Tatort“ aus Thüringen gekonnt zwischen Klamauk und Klassik. „Die fette Hoppe“ ist für „Tatort“-Puristen womöglich nichts, denn auf atemlose Spannung ist dieser Krimi nicht aus.

Stuttgart - „Weimar schillert“ lautet eine städtische PR-Aktion, und tatsächlich jagt Lessing den Täter am Ende im Deutschen Nationaltheater, wo sich lauter vermeintliche Schillers versammelt haben. Verstecken kann sich das Böse eben überall, auch unter einer Perücke aus der deutschen Klassik. Lessing wiederum ist kein als Dramatiker verkleideter Herr, nein, so heißt der neue Kommissar im „Tatort“, dem Klassiker der Gegenwart. Er wird gespielt von Christian Ulmen („Herr Lehmann“), seine Kollegin Kira Dorn von Nora Tschirner („Keinohrhasen“).

 

Hier, in Thüringens kulturellem Schmuckstück, knallt einiges aufeinander. Klassik und populäre Moderne, ein dem Vergangenen verpflichteter Ort und die Sehnsucht des Fernsehens nach Jugendlichkeit, auch Lyrik und Comedy, „Jägers Abendlied“ von Goethe und Würstchenwitze von zeitgenössischen Drehbuchautoren, musikalisch untermalt mit Bachs Wohltemperiertem Klavier und einer Variation von Klaus Doldingers legendärer „Tatort“-Titelmusik. Ein Zitate-Festival mit witzigen Dialogen, manchmal auch gnadenlos albernen Scherzen. Dazu eine abgedrehte Geschichte um eine Leiche, die entführt wird, irgendwann tiefgefroren auftaucht und wieder verschwindet.

Der running gag ist schlechter Geruch

„Die fette Hoppe“, so der Titel des Festtagsmenüs, heißt im Film die führende Wurst der Stadt. Produziert von Weimars ungeliebter Wurst-Königin Brigitte Hoppe, die wie vom Erdboden verschluckt ist. In ihrem falsch geparkten Wagen findet die Polizei ihren Ausweis, ein Hackebeil und jede Menge Blut, aber keine Leiche. Der erste Verdächtige: Hoppes Sohn Sigmar, genannt das „Würstchen“, der allerdings im Beisein der Polizei von einem Entführer angerufen wird. Bei der Geldübergabe greift sich die Chefin des Gewerbeamts das in einem Mülleimer platzierte Paket, allerdings wohl nur, weil ihr Kaugummi an Fingern und Papier kleben bleibt. Beim Verhör testet Lessing die Geschmacksrichtung und vermutet: „Toter Schlumpf“. Der „running gag“ des Films ist übrigens der zunehmende Gestank in Kira Dorns Dienstwagen – und das nur, weil die Autoren unbedingt diesen Satz unterbringen wollten: „Ah, das sieht mir nach einem klassischen Selbstmarder aus.“

Während des Drehs war Nora Tschirner hochschwanger, was sich hier ganz souverän in die Handlung fügt. Kira Dorn erwartet keine Schonung und verbittet sich jede Nachfrage nach dem unbekannten Vater. Die Fürsorge für ihren neuen Kollegen Lessing aus Hamburg, mit dem sie wegen eines „Burn-Down-Syndroms“ pfleglich umgehen soll, fällt allerdings ebenfalls begrenzt aus. „Jetzt ist der richtige Moment für Ihre Dschungelprüfung“, ruft Dorn fröhlich, als es in der Wurstfabrik gilt, einen Bottich mit Fleischabfällen zu durchsuchen. Und Lessing greift beherzt zu. Nein, die beiden erweitern nicht das Arsenal an psychisch angeschlagenen Kommissar-Typen.

Der Krimi parodiert sich selbst

Die skurrilen Typen und ihre Wortgefechte erinnern ein bisschen an eine Screwball-Komödie, mit einer überraschenden Wendung im letzten Drittel des Films. Für „Tatort“-Puristen ist das womöglich nichts, auf atemlose Spannung ist dieser Krimi nicht aus. Eher auf ein vergnügliches Spiel mit dem Genre, beginnend mit einer vermeintlichen Geiselnahme, bei dem Lessing seine neue Kollegin mit dem, sagen wir, Pizza-Trick herauspaukt. Der „Tatort“ parodiert sich hier ein bisschen selbst, auch wenn die Regeln im Großen und Ganzen eingehalten werden und Dorn und Lessing durchaus keine Karikaturen sind. Im Gegensatz zu Til Schweigers überkandideltem Baller-Debüt für den NDR nimmt sich dieser star-bestückte „Tatort“ jedenfalls weit weniger ernst.

Eigentlich sollte der Film mit dem Gespann Tschirner/Ulmen ein Einzelstück bleiben, als Nebenprodukt hervorgegangen aus einem Ausschreibungsverfahren des MDR für ein neues Ermittlerteam, das der Sender schließlich in Erfurt ansiedelte. Nun soll es in Weimar doch weitergehen. Die MDR-Intendantin Karola Wille erklärte bei der Filmpremiere im Weimarer Theater, dass es zumindest noch eine weitere Folge mit dem neuen Duo geben solle.

Schönste Krimifloskel:
Jede Menge – denn Kommissar Lessing alias Christian Ulmen hat so viele Kriminalstatistiken parat, dass einem bald der Kopf schwirrt.

Heimliche Stilikone:
Ganz klar die schwangere Nora Tschirner, die tapfer ein weinrotes Top über ihren prallen Babybauch gestreift hat.

Gefühlter Moment, in dem der Fall gelöst ist:
Bei diesem „Tatort“ steht mehr der Klamauk und weniger die Frage nach dem Täter im Vordergrund. Eine überraschende Wende gibt’s dann ganz zum Schluss – die betrifft allerdings vor allem die beiden Ermittler.