Im letzten „Tatort“ aus Konstanz mit den Kommissaren Blum und Perlmann stehen die Zeichen auf Umbau, Veränderung, Abschied.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Abrechnung, Aufbruch, Selbstvergewisserung, Seelenschau – der letzte „Tatort“ vom Bodensee ist all dies. Ein Krimi ist er nicht. „Wofür es sich zu leben lohnt“ lautet die ganz große Frage, und Alrun Goette und ihr Co-Autor Sathyan Ramesh geben die ganz großen Antworten. Zu Beginn liegt dunkel der See: In einem von Fackeln umloderten Kahn schwimmt ein Mensch, der, auf Herbstlaub und Äpfel gebettet, kurz davor ist, ins sternenfunkelnde Jenseits hinüberzudämmern. Währenddessen legt sich die kalte Hand der Krankheit auf die Schulter von Klara Blum (Eva Mattes): Zwei unentdeckte Infarkte enthüllt ihr der Arzt, schonen muss sie sich. „Auf diesen Satz habe ich mich mein ganz Leben lang gefreut“, kommentiert Blum sarkastisch.

 

Die Zeichen im Konstanz-„Tatort“ stehen nach 14 Jahren auf Umbau, Veränderung, Abschied: Im Kommissariat übernehmen die Handwerker, machen Perlmann und Blum heimatlos. Die Entfremdung zwischen den beiden ist längst übergroß. „Ich versteh Frau Blum einfach nicht mehr“, klagt Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) dem Kollegen Lüthi (Roland Koch) sein Leid. Der Eidgenosse ist mit im Ermittlerboot, weil der Kahn mit dem königlich drapierten Toten ans Schweizer Ufer getrieben ist; dabei hat Lüthi mit einem Giftmord an einem Anlagebetrüger schon genug zu tun. Dem Opfer durch die Mordaufklärung eine Art Gerechtigkeit widerfahren zu lassen ist Lüthi ebenso zuwider wie Blum und Perlmann in ihrem Fall: Ihr Toter ist ein rechtsradikaler Prediger, der ein bizarres, aus der Zeit gefallenes Mutter-Tochter-Gespann hinterlässt.

Die Idylle wird als Trugbild entlarvt

Blum findet eine erste neue Heimat bei drei gealterten Grazien, die in einer ehemaligen Gärtnerei eine Wohngemeinschaft aufgemacht haben: Eva Mattes trifft hier mit Irm Herrmann, Hanna Schygulla und Margit Carstensen auf Schauspieler-Gefährtinnen aus der gemeinsamen Fassbinder-Ära. Der mythisch-verrätselte Altfräulein-Club tauscht Lebensweisheiten aus, Frau Blum darf in diesem Kreise ein letztes Mal ihr Berufscredo hinhauchen – „dass da Gerechtigkeit herrscht, darum geht’s“. Es ist zugleich das krimiumspannende Motiv.

Formal ist „Wofür sich zu leben lohnt“ durchaus ein Schmuckstück; Goettes Kamerafrau Cornelia Janssen blickt gern aus der Vogelperspektive auf die rätselhaften Wege der Frau Blum, lässt die Schönheit der Region in Kalenderansichten frohlocken, doch nur, um sie zugleich als Trugbild zu entlarven: Die See-Panoramen sind mit akustischen Nachrichtenfetzen unterlegt, die von den Ungerechtigkeiten dieser Welt künden. „Vielleicht ist es einfach Zeit für was Neues“ lautet einer von allzu vielen selbstreflexiven Sätzen. Nach neunzig Minuten fällt dann die Klappe - und noch etwas anderes: In Konstanz ist jetzt Schluss. Endlich.

ARD,
Sonntag, 20.15