Mensch lässt sich die Haut mit allerlei Motiven verzieren – auch bei der ersten Tattoo-Messe in Unterbrüden, bei der es zudem Bikes und Live-Musik gab.

Auenwald - Nadine will sich ein paar Sterne gönnen. Wohin sie sollen, weiß die Sulzbacherin auch schon. „Da“, sagt sie, und tippt mit dem rechten Zeigefinger auf ihren Nacken. Dann zählt Nadine die Tätowierungen, die sie schon hat, im Geiste durch. Sie kommt auf zehn. Ihr erstes Tattoo hat sie sich mit 18 Jahren stechen lassen, nun ist sie 37 – und ganz klar eine „Wiederholungstäterin“. So ist sie gezielt die paar Kilometer von Sulzbach nach Unterbrüden gekommen – zur ersten Tattoo-Messe in der Auenwaldhalle.

 

Diese bezeichnet Achim Fischer als „einen Versuchsballon, um zu sehen, wie das hier ankommt“. Der 58-Jährige betreibt seit vielen Jahren ein Tätowierstudio in Stuttgart, kennt Georg Neumann, den ehemaligen Besitzer der Kultdiskothek Belinda in Sulzbach, und ist durch ihn auf die Idee gekommen, mal zu testen, ob solch ein Event im ländlichen Raum überhaupt ankommt. „Die Leute sind hier zurückhaltender, die Hemmschwelle liegt höher“, ist Achim Fischer überzeugt.

Es gibt viele „Pappnasen“ in der Szene

Tatsächlich ist die Zahl der Besucher, die am frühen Samstagnachmittag zwischen rund zehn Tätowier-Ständen und einigen Anbietern von Nasen- und Ohrsteckern, T-Shirts und Lederwaren herumschlendert, recht überschaubar. Bis Auenwald zum Tattoo-Mekka wird, dauert es wohl noch ein Weilchen. Aber Achim Fischer findet reine Tattoo-Messen ohnehin ein bisschen langweilig. „Das ist immer das Gleiche. Deshalb haben wir gedacht, wir erweitern das Ganze, damit es unterhaltsamer wird.“ Abends treten daher zwei Bands auf der Bühne der Gemeindehalle auf und spielen Live-Musik. Und im Foyer der Auenwaldhalle gibt es für Biker-Freunde diverse auf Hochglanz polierte fahrbare Untersätze zu sehen. Harley-Davidson-Fans kommen ebenso auf ihre Kosten wie Liebhaber der guten alten Schwalbe Marke Simpson. Vorsorglich hat der Aussteller an jedem der Schmuckstücke ein Schildchen mit der Botschaft „Do not touch it, sonst klatscht it“ angebracht.

Nadine wartet derweil, dass sie an die Reihe kommt. Mit ihrer Begeisterung für Tattoos ist sie nicht allein. „Der Trend zu Tätowierungen ist stärker denn je“, sagt zumindest Achim Fischer. „Vor 20 Jahren war es eine absolute Ausnahme, dass jemand sich in meinem Alter, mit 58 Jahren, hat tätowieren lassen. Heute kommen Leute, die noch deutlich älter sind als ich.“ Mit der Bandbreite der Kundschaft sei auch die Zahl der Tätowierstudios gewachsen. Was nicht unbedingt immer von Vorteil sei, denn „Tätowieren ist kein Lehrberuf. Dementsprechend viele Pappnasen, wir nennen sie ,Scratcher’, gibt es in der Szene“.

Viele Unzufriedene fragen nach Cover-ups

Außerdem gebe es „unglaublich viele schlechte Tattoos“. Die, sagt Fischer, bekomme er täglich zu sehen, wenn Unzufriedene in sein Studio kämen – mit der Frage: „Kann man da noch was machen?“ Man kann. „Cover-ups sind ein großer Teil unserer Arbeit“, erzählt Fischer. Dabei wird eine neue Tätowierung so über die alte gelegt, dass sie diese vollkommen überdeckt.

Vielen Kunden achteten nur auf das Motiv, sagt Fischer: „Man muss aber darauf schauen, wie es ausgeführt ist.“ Auch die Proportionen und die Körperstelle müssten passen: „Ein Minidelfin auf dem Rücken sieht nach nichts aus. Man hängt ja auch keine Briefmarke an die Wand.“

Am Stand nebenan blättert Jutta aus Schwäbisch Hall einen Ordner mit Motivvorschlägen durch. „Manche Sachen würde ich mir mein Lebtag nicht machen lassen“, sagt die 46-Jährige angesichts einiger Totenköpfe. Sie selbst ist schon Trägerin einer Rose und einer Elfe. Ihr erstes Tattoo, sagt sie, habe sie sich 2004 stechen lassen: „Am Fuß. Ich dachte, falls es mir nicht gefällt, kann ich eine Socke drüber ziehen.“