Taubenschlag am Marienplatz Die Stadttauben haben neues Zuhause

Der Tierschutzverein und die Stadt eröffnen am Marienplatz einen neuen Schlag.
Stuttgart - Buchstäblich wie im Taubenschlag ging es im Dachstock des Kaiserbaus am Marienplatz zu. Mitglieder des Tierschutzvereins, Vertreter der Stadt und der Immobilienverwaltung drängten sich in dem engen Raum. Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer, die Taubenbeauftragte des Tierschutzvereins, eröffnete dort den neunten Taubenschlag der Stadt mit 70 Nistplätzen. Noch fehlen allerdings die Bewohner. In den nächsten Tagen werde ein kleiner Stammschwarm dort für mehrere Wochen eingesperrt, „damit sich die Tiere an ihr neues Zuhause gewöhnen“, erklärte sie. „Danach öffnen wir die Ein- und Ausflugklappe. Dann können sie andere Tauben anziehen.“ Eine Auflage der Immobilienverwaltung Copro, die den Dachstock für das Projekt zur Verfügung stellte, sehe allerdings vor, dass die Vögel nur von der Straßenseite und nicht vom Innenhof her einfliegen könnten, um auf die Bewohner, deren Eingang im Innenhof liegt, Rücksicht zu nehmen.
Ziel ist es, die Tauben artgerecht zu reduzieren
Die Tierschützerin Brucklacher-Gunzenhäußer und ihre Mitstreiter knüpfen damit an die Arbeit der vergangenen Jahre des Stadttaubenprojektes an. Ziel ist es, die Anzahl der Tauben in der Stadt tierschutzgerecht zu reduzieren. Die Vögel sollen in den extra dafür vorgesehenen Nischen ihre Eier ablegen. Diese werden dann von Mitarbeitern des Tierschutzvereins gegen Attrappen ausgetauscht: „Wir können bereits große Erfolge aufweisen. In den vergangenen acht Jahren haben wir rund 14 000 Eier ausgetauscht.“ Auch Vertreter anderer Städte kämen interessiert auf sie zu, um sich rund um das Großstadtproblem Taube von ihr beraten zu lassen. „Unsere Arbeit stößt insgesamt auf sehr positive Resonanz, auch die Zusammenarbeit mit der Stadt klappt sehr gut.“ Diese stellt für das Projekt ein jährliches Budget von 80 000 Euro zur Verfügung. Davon werden nicht nur die neu entstehenden Taubenschläge bezahlt, sondern auch die Mitarbeiter des Tierschutz, die die Tauben füttern und die Voliere putzen.
Allerdings würden für eine nachhaltige Reduzierung der Tauben und um deren artgerechte Ernährung sicherzustellen, noch viel mehr Taubenschläge benötigt, so die Tierschützerin. Die Suche nach geeigneten Standorten, für die das Amt für öffentliche Ordnung zuständig ist, sei jedoch sehr schwierig, sagte ein Pressesprecher der Stadt. Die Statik sei oft ein Problem, da die Volieren sehr schwer seien. Zudem werde ein sicherer Zugang zum Dach benötigt, um die Eier austauschen zu können. Hinzukommt, dass sich viele private Haus- und Wohnungsbesitzer gegen eine Taubenunterkunft auf dem eigenen Dach wehren. Die meisten hätten Angst, dass damit zu viele Vögel angezogen würden. Das sei auch dem schlechten Image der Stadttauben geschuldet, so die Tierschutzbeauftragte: „Viele sehen in ihnen die Ratten der Lüfte, die Krankheiten übertragen und nur Dreck machen. Zu Unrecht.“ Denn das Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Veterinärmedizin habe schon 1998 bescheinigt, dass Stadttauben keine Schädlinge seien. Außerdem würden die Taubenschläge ja eben gerade dazu dienen, dass die Tiere ihren Kot dort hinterließen, was auch funktionieren würde, da Tauben standorttreu seien und sich die meiste Zeit in der Voliere aufhielten.
Die Bewohner des Kaiserbaus am Marienplatz sehen den Nistplatz positiv
Die Bewohner der Tübinger Straße 111 am Marienplatz sehen den neuen Taubenschlag unter ihrem Dach, laut eines Sprechers der Hausverwaltung Copro, allerdings sehr positiv. Vielen seien schon die Erfolge des Projektes zu Ohren gekommen. Auch Copro selbst sieht darin eine Entlastung für Mensch und Tier. Die obdachlosen Tauben müssten sich nun nicht mehr zuhauf auf die Sprossen und in die Nischen des Kaiserbaus setzten und zwischen den Stühlen der angrenzenden Cafés und Restaurants umherlaufen, sondern könnten sich in ihren Schlag zurückziehen. Mensch und Tier würden also mehr Ruhe voreinander haben.
Davon animiert, wollen sich Brucklacher-Gunzenhäußer und ihr Team nicht unterkriegen lassen. „Jetzt erst recht“, sagte Jürgen Schmidt-Oehm. Seit gut sieben Jahren ist er einer von vier festangestellten Taubenwarten und kümmert sich regelmäßig um die Taubenschläge in der Kriegsberg- und der Schmalen Straße. „Wir wollen, dass die Leute sehen, dass wir am Ball bleiben und sich etwas tut.“
Auch die Taubenbeauftragte plant demnächst erneut einen Antrag für einen Taubenturm im Schlossgarten zu stellen. Beim letzten Mal sei dieser vom Land abgelehnt worden. Brucklacher-Gunzenhäußer: „Wir geben nicht auf. Unsere Arbeit zeigt ja, dass der Samen aufgeht und wir immer mehr Tauben ein Zuhause geben können.“
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