Glatteis-Chaos in Stuttgart und der Region: Bei spiegelglatten Wegen und Straßen sind viele Menschen verunfallt. In den Krankenhäusern kommen nach Stürzen teils minütlich verletzte Patienten an. Die Notaufnahmen sind überfüllt. Entwarnung gibt es weiterhin nicht.
Wer am Morgen aus dem Haus ging, landete wegen spiegelglatter Straßen und Wege mancherorts schnell auf dem Hintern. Das merken auch die Notaufnahmen in Stuttgart und der Region. Mehrere Krankenhäuser sprechen von einem „massiven Patientenaufkommen in den Notaufnahmen“. „Es war und ist die Hölle los“, heißt es etwa aus dem Diakonie-Klinikum im Stuttgarter Westen.
Dort wurde wegen Überfüllung der Notaufnahme gar eine provisorische Unterbringung für die Patienten eingerichtet. „Wir haben im Gymnastikraum Betten und spanische Wände aufgestellt“, sagt Stephan Rauscher, Chefarzt der zentralen Notaufnahme am Diakonie-Klinikum Stuttgart, auf Anfrage unserer Zeitung. Kontinuierlich seien am Vormittag neue Verletzte eingeliefert worden: „So etwas habe ich in den vielen Jahren meiner Tätigkeit in der Notaufnahme noch nie erlebt“, so Rauscher weiter. Die häufigsten Verletzungen: schwere Prellungen, Platzwunden und Knochenbrüche. „Handgelenk, Sprunggelenk, Hüfte, Becken, Schulter – das sind die typischen Verletzungen.“
Glatteis in Stuttgart – Notaufnahmen ausgelastet
Ähnlich sieht es in den anderen Krankenhäusern aus. Auch am Karl-Olga-Krankenhaus (KOK) im Stuttgarter Osten sind deutlich mehr Behandlungen notwendig als sonst üblich. „Bei uns kommen der Rettungsdienst quasi im Minutentakt an“, sagte die Sprecherin Sandra Lehmann. Das Aufkommen an Patienten sei am Vormittag kaum zu bewältigen gewesen. „Wir hatten am frühen Morgen bereits 50 Patienten in der Notaufnahme“, so Ines Michelmann, die Ärztliche Leiterin der Notaufnahme.
Glatteis in Stuttgart – aber kein Ärztestreik
„Wir haben heute in der Notaufnahme eine äußerst herausfordernde Situation“, bestätigt auch Mark Dominik Alscher, der Medizinischer Geschäftsführer des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK) in Stuttgart-Nord. „Aufgrund des Glatteises kommen deutlich mehr Patientinnen und Patienten zu uns“, so der Professor. Deswegen habe sich das RBK „von der Aufnahmebereitschaft nach außen“ abmelden müssen. „Dennoch kommen die Notfälle natürlich weiterhin zu uns.“
Zum Glück sei der ursprünglich für Mittwoch von der Gewerkschaft Marburger Bund geplante Ärztestreik an den kommunalen Kliniken, in Stuttgart wäre das Klinikum betroffen gewesen, am Dienstag abgewendet worden: „Da wäre sonst eine wirklich gefährliche Lage entstanden“, ist sich Alscher sicher.
Glatteis-Verletzungen: Knochenbrüche und Platzwunden
Die meisten Patienten würden mit Knochenbrüchen eingeliefert, auch aufgrund der Vielzahl von Autounfällen. Alscher spricht von einem „Massenanfall an Verletzten“, der im RBK auch ein erhöhtes Bettenmanagement verlange: „Wir nutzen jedes Bett und müssen auch Notverlegungen und vorzeitige Entlassungen von Patientinnen und Patienten vorsehen“, schildert Alscher die Situation. Das Krankenhaus sei auf derartige Notsituationen aber vorbereitet.
Im Marienhospital im Stuttgarter Süden wurden zwischen 6 und 11.30 Uhr bereits gut 60 Patienten wegen Stürzen vorstellig – „meist mit Prellungen, aber auch viele Handgelenks- und Knöchelfrakturen, Schulterluxationen, Gehirnerschütterungen, teils mit Gedächtnislücken“, sagt Sabine Zeller von der Unternehmenskommunikation. „Das Aufkommen war kaum zu bewältigen.“ Nach ihrer Information seien zehn zusätzliche Rettungswagen im Einsatz.
Leider seien auch einige Mitarbeiter auf dem Weg zur Arbeit gestürzt: „Dadurch hatten wie einige Verspätungen und Ausfälle“, so die Sprecherin weiter. Zudem habe man sich ohnehin Unterstützung durch Ambulanzpersonal geholt, wie in den meisten Kliniken in der Stadt und der Region.
Glatteis bringt zehnmal mehr Patienten wie üblich
Alleine am Morgen seien rund 50 Patienten in der Notaufnahme behandelt worden, sagte auch Annette Seifert, Sprecherin des Klinikum Stuttgart. Normalerweise würden rund 80 Patienten am ganzen Tag behandelt: „Schwerpunkte sind Knochenbrüche am Unterarm und am Handgelenk.“ Man habe wegen der vielen Patienten die Notaufnahme auch personell verstärkt. Es sei auch im Lauf des Tages nicht besser geworden. „Patienten kommen weiterhin zu uns.“ Weshalb man mit teils langen Wartezeiten rechnen müsse.
Glatteis im Rems-Murr-Kreis
Auch in der Region hat das Blitzeis und die Glätte zu einer starken Auslastung der Notaufnahmen gesorgt. So an beiden Standorten der Rems-Murr-Kliniken in Winnenden und Schorndorf. Bereits am frühen Vormittag habe man rund zehnmal so viele Patientinnen und Patienten gehabt wie bei normalen Wetterlagen. Betroffen seien alle Altersgruppen. „Die meisten Verunfallten waren zu Fuß unterwegs und sind gestürzt, viele von ihnen waren auf dem Weg zur Arbeit“, sagt die Sprecherin Christine Felsinger. Alle verfügbaren Unfallchirurgen seien im Einsatz. Man könne die Patienten gut versorgen, es sei aber mit längeren Wartezeiten zu rechnen.
Glatteis-Wartezeiten in Esslingen, Böblingen, Leonberg, Sindelfingen
Ähnlich sieht es auch beim Klinikum Esslingen, bei den Alb-Fils-Kliniken (Landkreis Göppingen) und beim Klinikverbund Südwest mit seinen Standorten in Böblingen, Herrenberg, Leonberg und Sindelfingen aus. „Wir können keine Entwarnung geben“, sagt die Sprecherin Anja Dietze vom Esslinger Klinikum. Die Patienten kämen weiter mit Verletzungen nach Stürzen in die Klinik. Die Mitarbeiter seien gut gefordert, ergänzt Lukas Schult, Leiter der Stabsstelle Unternehmenskommunikation beim Klinikverbund Südwest.
Glatteis-Chaos in Ludwigsburg und Göppingen
Bei RKH Gesundheit mit den zentralen Notaufnahmen in Ludwigsburg und Bietigheim heißt es ebenfalls: Volle Häuser! So sagt der Oberarzt Martin Schweiker, der aktuell in Bietigheim das Geschehen koordiniert: „Das ist das heftigste Blitzeis, das ich in den letzten zehn Jahren erlebt habe.“ Die Bandbreite der Verletzungen reicht von Prellungen über Frakturen bis zum Polytrauma, erläutert Alexander Tsongas, Leiter der RKH-Unternehmenskommunikation. Bei den Alb-Fils-Kliniken ist das Patientenaufkommen ebenfalls stark erhöht, „weshalb wir unser Ärzteteam aufgestockt haben“, so eine Sprecherin.