Elektriker, Ingenieure und IT-Entwickler diskutieren in Stuttgart über die Zukunft des intelligenten Hauses. Nützliche und spielerische Angebote gibt es viele. Aber immer wieder werden Zweifel laut: Wollen die Kunden das auch?

Stuttgart - Die Bilder, die Frank Heinlein von der Werner-Sobek-Firmengruppe vom Stuttgarter Aktivhaus B10 zeigt, beeindrucken die 180 Besucher der Tagung „Smarthome 2015“ im Stuttgarter Haus der Wirtschaft: So luftig, so modern sieht das Haus der Zukunft aus! Intelligentes Energiemanagement kann auch sexy sein. Diese Botschaft ist den Teilnehmern – unter ihnen Planer, Hersteller von Smarthome-Technologien, Software-Entwickler und Forscher – wichtig, denn in Architekten wie Sobek setzen sie große Hoffnungen: Sie sollen die Technologien an den Mann bringen. Sie sind häufig die erste Anlaufstelle eines künftigen Bauherren, der wissen will, wie er sein Haus ausstatten soll.

 

Bisher haben die Architekten versagt. „Sie sehen das als etwas Technisches, das sie nichts angeht“, sagt Thomas Keiser, Vorstand der Smarthome-Initiative Deutschland. Der aufkommenden Branche fehlt ein zentraler Beruf: der Smart-Home-Ansprechpartner. Die Frage, wie der Endkunde die Intelligenz in sein Haus oder seine Wohnung bekommt, durchzieht die zweitägige Konferenz: Soll der Elektriker beraten? Oder der Einzelhandel? Oder der Telekommunikationsanbieter?

Die Architekten jedenfalls enttäuschen: Mehr als 800 habe sein Verband eingeladen, klagt Keiser. Aber als Michael Krödel, Professor für Gebäudeautomation an der Hochschule Rosenheim, während seines Vortrags in die Runde fragt, wer denn Architekt sei, heben sich nur zwei oder drei Hände. „Architekten und Elektriker sind die größten Bremser beim Thema Smarthome“, sagt Krödel später. Und zwar weniger aus prinzipieller Kritik, sondern eher, weil sie sich mit der neuen Technik nicht auskennen.

Die Technik soll dienen wie früher die Diener

Dabei ist alles gar nicht so schwer, findet Krödel. Denn eigentlich steht der Endkunde vor einer ähnlichen Anforderung wie die Protagonisten der Fernsehserie „Das Haus am Eaton Place“ aus den siebziger Jahren: Krödel zeigt eine Szene der wohlhabenden Familie in London im Jahr 1903 und ihrer Armada an Hausangestellten. „Damit haben sie eigentlich ein Smarthome“, erklärt er: Die Diener machen nachts Rundgänge um das Haus oder sorgen dafür, dass das Haus in der Urlaubszeit bewacht ist. Solche Aufgaben soll die Technik übernehmen. „Was würden Sie heute einer Maid sagen?“, fragt Krödel. Tiefer sollte der Endkunde nicht in die Technik einsteigen müssen.

Immer wieder hört man aus den Gesprächen der Tagung auch die Zweifel heraus: Sind wir überhaupt eine Branche? „Mir ist zumindest keine Branche bekannt mit so vielen Akteuren“, sagt Keiser – vom Handwerker und Elektrotechniker über die Bauwirtschaft bis zu IT-Entwicklern und Forschern. Wilhelm Bauer, Leiter des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation, spricht ihnen Mut zu: „Sie sind mit ihrem Thema mitten im Mainstream.“ Die digitale Welt sei das Geschäft der Zukunft, entsprechende Technologien zeigten enorme Wachstumsraten. „Wer die Plattform und damit den Zugang zum Kunden hat, der macht am Ende das Geld.“ Allerdings sei dafür ein optimiertes Zusammenspiel nötig, damit nicht die Googles der Zukunft das Regime übernehmen, mahnt er: „Der Kunde will am Ende einfach einen verständlichen Nutzen.“

Im Gegensatz zu manch visionärem Technologieanbieter versuchen die Teilnehmer der Tagung, die Bedürfnisse der Nutzer aufzuspüren, bevor Lösungen entwickelt werden. „Braucht man das wirklich?“, hört man, oder: „Kann sich das der Endkunde leisten?“ Die Branchenvertreter ärgern sich über Marktumfragen, in denen die Befragten angeben, ein intelligentes Zuhause sei ihnen zu teuer – und im nächsten Atemzug von Investitionen von 40 000 Euro sprechen. „Erste Anwendungen gibt es schon für ein paar hundert Euro“, sagt Mike Lange von D-Link, einem Anbieter für Netzwerklösungen. „Ja, aber für welchen Anwendungsfall?“, ruft ein Zuhörer dazwischen. Natürlich bekommt man dafür kein vernetztes Haus, aber viele Neuinteressenten kämen aus dem Gadget-Bereich: einzelne konkrete Anwendungen, häufig spielerischer Natur. „Das müssen wir ernst nehmen“, sagt Lange: „Kaum ein Otto-Normal-Verbraucher geht in den Laden und sagt: Ich will ein Smarthome.“

Erfahrung kommt aus dem Bereich Automatisierung

Aber wie bekommt man heraus, was die Massen wollen, wenn diese keine Vorstellung davon haben, was möglich ist? Darüber rauchen in den Workshops die Köpfe. Der Anbieter D-Link hat versucht, ein Gerät zur Vernetzung verschiedener Smarthome-Geräte über den Händler Tchibo zu vertreiben. Schließlich vertrauen viele Deutsche Tchibo, und der Katalog hat eine Auflage von drei Millionen Stück. Die Verkaufszahlen seien dadurch nicht allzu sehr in die Höhe geschnellt, gibt Mike Lange zu: „Aber es hat uns Reichweite gebracht.“

Die Kritik, dass Kunden von den verschiedenen Funkstandards verwirrt sein könnten oder ein Problem darin liegt, dass verschiedene Systeme kaum kompatibel sind, wischen die Organisatoren vom Tisch: „Das ist für den Endkunden völlig irrelevant“, sagt Keiser. Im Idealfall sollte sich dieser nicht mit technischen Details befassen müssen. Nicht zuletzt könne man sich ein Beispiel an der Automobilindustrie nehmen, sagt Steffen Goy von Issendorff, einem Anbieter für Gebäudeleittechnik: „Die Autobranche verkauft Emotionen – wir sprechen zu viel über Technik.“

Und obwohl die Branche noch recht jung ist, kann sie auf Jahrzehnte lange Erfahrungen aus der Automatisierung zurückgreifen – und daran tut sie gut, wie Statements in verschiedenen Workshops zeigen: „Der Mensch sollte vollständig berücksichtigt werden“, sagt etwa Steffen Goy mit Blick auf die hermetisch abgeriegelten Bürotürme, die vor einigen Jahren entstanden: „Wenn der Nutzer nicht selbst mal das Fenster öffnen oder die Jalousien hochfahren kann um hinauszublicken, ist er eventuell unzufrieden.“ Intelligente Technik reagiert entsprechend und regelt die Heizung herunter, wenn das Fenster geöffnet wird. Unzufriedene Nutzer sind nämlich nicht förderlich für den Weg zum Massenmarkt.

Die Konferenz und eine Initiative aus dem Land

Konferenz
Die Fachtagung „Smarthome 2015“ wird von der Smarthome-Initiative Deutschland und der Initiative Smart Home & Living Baden-Württemberg ausgerichtet. Während Smarthome Deutschland eine Initiative aus der Wirtschaft ist, hat Baden-Württemberg mit Smart Home & Living als eines der ersten Bundesländer eine von der Politik (in diesem Fall das Wirtschaftsministerium des Landes) geförderte Initiative zum Thema.

Initiative
Ziel von Smart Home & Living ist ein Innovationsnetzwerk, in das alle relevanten Akteure aus Unternehmen, Institutionen, Verbänden und Forschungseinrichtungen eingebunden sind. Die Politik verspricht sich davon ein tieferes Verständnis der aktuellen Entwicklungen und durch den Wissensvorsprung eine Stärkung der hiesigen Wirtschaft.