Die neue Generation der Serviceroboter soll dem Menschen beim Aufräumen in den eigenen vier Wänden helfen. Care-O-bot 4 vom Stuttgarter Fraunhofer Institut für Produktionstechnik hat für seine Optik einen Design-Preis bekommen.

Stuttgart - Der kleine Nao soll bitte mal ins Spielzimmer zum Aufräumen kommen.” So oder ähnlich könnte in Zukunft der Ruf von Erzieherinnen durch den Kindergarten schallen, wenn der nur kniehohe Robotergehilfe das Chaos in der Stube aufräumen soll. Im EU-Projekt Squirrel untersucht ein Forscherkonsortium um Wolfram Burgard von der Universität Freiburg und Ulrich Reiser vom Fraunhofer Institut für Produktionstechnik (IPA) in Stuttgart, wie Service- oder Haushaltsroboter beim Aufräumen eingesetzt werden können. „Natürlich hat das Aufräumen zu Hause und im Kindergarten auch einen pädagogischen Charakter. Doch mal ehrlich, wer macht das wirklich gern“, sagt Informatiker Burgard. Das Aufräumen gehört im Fachjargon der Robotiker zu den klassischen „Pick&Place“-Aktionen, die sich im Haushalt, in der Firmenlogistik oder Industriemontage kaum unterscheiden. In all diesen Bereichen schreitet die Automatisierung voran.

 

Allerdings ist von der Vision vieler Forscher, dass jeder Mensch über einen Personal Roboter (PR) verfügt, bisher wenig zu sehen. Es gibt viele Forschungsplattformen an Universitäten oder Prestigeprojekte der Industrie, wie etwa der humanoide Roboter Asimo von Honda, doch kaum etwas für die Praxis. Prototypen waren bisher zu unflexibel, zu langsam und zu teuer. Die ersten autonomen, Roboter-ähnlichen Maschinen, die unsere Gesellschaft überfluten, werden vermutlich autonom fahrende Autos im nächsten Jahrzehnt sein.

Doch hinter den Werkstoren der Firmen hat sich viel getan. Automatisierung und Robotik greifen immer mehr um sich. Die Schranke zwischen Mensch und Maschine schwindet: Werkelten früher stahlharte Roboter abgeschirmt vom Personal hinter dicken Schutzzäunen, so arbeiten heute schon filigrane, kunststoffbearmte Leichtbauroboter Hand in Hand mit dem Menschen in der Montage. Wolfram Burgard und Ulrich Reiser wollen das nun auf Haushalt und Kinderzimmer ausweiten. Im Projekt Squirrel testen sie drei Robotersysteme: der kleine humanoide Nao vom französischen Hersteller Aldebaran Robotics, der mobile Industrieroboter Robotino vom schwäbischen Hersteller Festo sowie die vierte Generation des Care-O-bots (COB4) vom Fraunhofer Institut für Produktionstechnik (IPA).

Sensoren erkennen die Umwelt

Das neue Care-O-bot-Modell haben Reiser und Kollegen erst kürzlich vorgestellt: 1,50 Meter groß, 125 Kilogramm schwer, viele Zehntausend Euro teuer. Im Labor des IPA in Stuttgart steht ein Modell mit offener Außenhaut. Der Blick gelangt tief in den Torso und offenbart so manches Geheimnis. So profitieren die Ingenieure ganz klar von den Fortschritten der Unterhaltungselektronik. Im Körper verrichtet ein halbes Dutzend Mini-PCs (Intel Nuc), die man auch im Elektronikmarkt kaufen kann, ihren Dienst, etwa für die Wahrnehmung der Umgebung durch die Sensoren oder die Steuerung der Bewegung. Die Umfelderkennung nutzt die Sensoren aus der Microsoft-Kinect-Konsole. Der Kopf ist ein schräg aufgestelltes Tablet-Display. Zwei weiße Leuchtpunkte auf diesem Display geben dem Androiden eine Art Gesicht. Damit bleiben die Fraunhofer ihrer Überzeugung treu, dass ein Haushaltsroboter zwar ein sympathisches Erscheinungsbild abgeben, aber nicht zu sehr einem Menschen ähneln soll. „Ansonsten sind die Erwartungen der Nutzer ganz einfach zu hoch“, erklärt Reiser. Care-O-bot ist modular aufgebaut. Zuunterst die Bewegungseinheit mit drei Rollen, die auch Fünf-Zentimeter-Stufen locker nehmen kann. Dieses Mobilitätsmodul würde für manche Anwendung schon ausreichen, etwa als Logistikelement für Hol- und Bringdienste, Kofferservice im Hotel, Getränkekellner auf der Party.

Über dem Fahrwerk befindet sich eine Art Gelenk, vergleichbar der menschlichen Hüfte, die es dem darüber angeordneten Torso erlaubt, sich nach vorn zu beugen. Der Schwerpunkt wird dann in der Beugebewegung derart nach hinten verlagert, dass der Roboter nicht nach vorn wegkippt. Mit seinen Armen kann der Roboter dann sowohl Gegenstände vom Boden aufklauben, aber auch über Kopf ins 1,60 Meter hohe Regal greifen. Der Torso weist die Kinect-Bildsensoren auf, außerdem einen roten Not-Ausschaltknopf. Jetzt sieht der Roboter schon so in etwa aus wie die R2D2-Tonne aus Star Wars. Ein bis zwei Arme können seitlich an den Torso noch angebracht werden. Darüber ordneten die Ingenieure ein Halsband mit weiteren Sensoren an, das vom Kopfmodul mit Display abgeschlossen wird.

Testlauf im Pflegeheim

Mit dem einarmigen Vorgängermodell hatten die Forscher schon einen Testlauf in einem Pflegeheim, wo der Roboter Hol- und Bringdienste erledigte. „Das kam beim Personal und den Bewohnern gut an“, erklärt Reiser. Doch bei einem Arm war nicht immer klar, wo vorn, wo hinten ist. Und das möchte ein Nutzer einschätzen. Mit der Zwei-Arm-Version und dem überarbeiteten Design kommen die Forscher einer menschlichen Anmutung schon wieder etwas näher. „Außerdem kann der Roboter mit zwei Armen auch größere Gegenstände fassen oder Flüssigkeiten einschenken“, sagt Reiser.

Das Robotik-Team von Reiser mit seinem 50 Mitarbeitern hat einen guten Ruf in der Branche. Die Care-O-bot-Forschungslinie gilt als praxisnah. Zunächst wollen die Forscher den neuen Care-O-bot 4 für die eigenen Forschung in einer Stückzahl bis zu vier bauen, dann auch in einer Miniserie für interessierte Forschungslabors. Für die Praxis ist die Maschine noch zu teuer. In der High-End-Stufe mit zwei Armen werde man kaum unter Hunderttausend Euro bleiben, meint Tim Fröhlich vom Fraunhofer IPA. Die etwa 1000 Euro, die sich Burgard für einen Serviceroboter im Haushalt vorstellt, scheinen also noch weit entfernt.

Vielleicht kommen die Impulse auch von woanders: Nachdem der Internetkonzern Google jüngst Roboterhersteller übernommen hat und auch am autonomen Fahrzeug tüftelt, schaut die Branche elektrisiert ins Silicon Valley. Burgard hofft, dass Google mit neuen Ideen kommt. „Ich habe aber keine Angst, da irgendwie überholt zu werden“, erklärt der Spezialist für die Wahrnehmung, Navigation und Handlungssteuerung von Robotern. „Gerade auf diesen Gebieten hat sich in jüngster Zeit viel getan“, sagt Burgard. So lernt der moderne Roboter in Zukunft mit, wie sich der Mensch verhält. Im Haushalt könnte sich so ein Roboter merken, wann ein Mensch frühstückt und dann aufräumt, und wohin er sein Müsli hinstellt und später wegräumt. Später könnte das die Blechmaschine nach schlichtem Zuschauen übernehmen. Ähnlich wie der Internethändler Amazon Produktvorschläge macht „Kunden, die dieses Produkt gekauft haben, haben auch...“, könnte auch die Maschine lernen: Wenn die Milch in den Kühlschrank kommt, dann auch Butter und Joghurt. Oder, im Regal stehen üblicherweise die Bücher, also räumt der Roboter das Buch vom Boden ins Regal.

In einem Demovideo des Projekts Squirrel ist das knapp skizziert: Der humanoide Roboter Nao bewegt sich durch ein zugemülltes Kinderzimmer, sortiert einen Ball in die eine Kiste, ein Eimerchen am Henkel in die andere. Zur Abschlussdemo wollen die Forscher dies in einem realen Wiener Kindergarten zeigen.