Auf der Technikmesse in Las Vegas haben sich die Autohersteller mit der IT-Branche verbündet. Ob auf zwei Rädern, mit eingebautem Garten oder Bücherregal – die selbstfahrenden Autos sind vor allem eins: ausgefallen.

Las Vegas - Angesichts der digitalen Aufrüstung auf der Consumer Electronic Show in Las Vegas stellt sich die Frage: Wie viele Bildschirme braucht ein Auto noch? Messe heißt in den USA „Show“. Und das ist sie auch, die „Consumer Electronic Show“, die am Wochenende in Las Vegas zu Ende ging.

 

Sie stiehlt den klassischen Automessen von Detroit, Genf oder Frankfurt immer mehr die Schau, denn die Autos werden mit Elektronik vollgestopft, so dass sie bald eher rollenden Computern mit künstlicher Intelligenz gleichen, die womöglich eines Tages klüger sind als ihre Insassen. Alle großen deutschen Hersteller sind inzwischen in Las Vegas engagiert - und alle folgen der großen Vision des autonomen Fahrens. Dessen Vollendung heißt „Stufe 5“. Die ist dann erreicht, wenn sich das Fahrzeug ohne jedes Zutun seinen Weg auch durch den dichtesten und kompliziertesten Verkehr wie von Schanghai, Rom oder New York bahnen kann. Die Ansichten gehen freilich auseinander, wann „Stufe 5“ erreicht ist.  

Elektrisch und autonom in die Zukunft

Amerikaner sind dabei optimistischer als Europäer. Danny Shapiro von der kalifornischen Software-Schmiede „Nvidia“ meint, dass es schon 2020 so weit sein kann. Für Audi entwickelt „Nvidia“ elektronische Piloten, die lernfähig sind. Klug dürfen sie allerdings nicht durch Schaden werden, versichert Shapiro.    Die Deutschen sind da vorsichtiger als etwa Tesla-Chef Elon Musk, der vollmundig voraus eilte, aber in dessen Fahrzeug bereits ein Mensch beim Fahren im hoch automatisierten Modus ums Leben kam. BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich verspricht das erste serienmäßige Fahrzeug, das „hoch autonom“ unterwegs sein kann, für 2021. Das entspricht der Stufe vier von fünf Stufen und bedeutet, dass man beispielsweise bei Autobahnfahrten die Hände vom Lenkrad lassen und sich anderen Dingen zuwenden kann. Wie das aussehen kann, führt BMW in Las Vegas mit Testfahrten auf der nahen Autobahn vor.  Bei VW glaubt man, dass sich die Wartezeit bis zu den vollautomatischen Roboterautos noch bis 2025 hinziehen wird. Fünf Jahre früher wollen die Wolfsburger aber schon ihren in Las Vegas präsentierten voll elektrischen „VW I.D.“ auf den Markt werfen, der über eine Reichweite pro Batterieladung bis zu 600 Kilometern verfügt.

Aus alledem wird auch klar: IT- und Autoindustrie werden zunehmend Partner, nicht Konkurrenten. Allerorten wurden in Las Vegas Kooperationen zwischen Autoherstellern und Softwareschmieden verkündet. Letztere haben wohl eingesehen, dass ein modernes Auto nicht einfach so nebenbei auf die Räder gestellt werden kann während die Autokonzerne auf das Knowhow der IT-Industrie zurückgreifen.

Das Paket-“Mutterschiff“ vom Mercedes

Mercedes-Benz fielen in Las Vegas mit einem elektrischen Nutzfahrzeug in der Größe eines Sprinters auf, der als „Mutterschiff“ für fliegende oder fahrende Zustellroboter dient. Gedacht ist der „Vision Van“ für den wachsenden Bedarf der Paketdienste.   Die rasanten Fortschritte auf dem Gebiet der Elektronik machen aber auch Feature in und um die Fahrzeugen möglich, von denen man vor wenigen Jahren nur träumen konnte. Auf zwei Rädern produziert ein von BMW vorgestellter Parkroboter, der auf Parkplätzen und in Parkhäusern nach verfügbaren Stellplätzen sucht und anschließend das Auto dorthin lotst - gerne auch im Selbstfahrmodus. Das wäre eine Alternative zur kostenintensiven digitalen Umrüstung von Parkhäusern - und eine nette Show noch dazu.   Touchscreens gehören in dieser schönen neuen Welt schon fast zu den Oldies, auch die Gestensteuerung beherrschen mittlerweile alle deutschen Autoanbieter. Jetzt dringt das interaktive Holodeck ins Autoinnere vor, gegen das die Kommandozentrale dser „Enterprise“ antiquiert wirkt. Schier Unglaubliches haben sich die BMW-Ingenieure für die Innenraumstudie „BMW i Vision Future“ mit dem „Air Touch System“ einfallen lassen. Die Bedienelemente schweben in der Luft und können ganz ohne Berührung im Stil eines Touchscreens bedient werden. Die Finger spüren dabei sogar einen leichten Widerstand, für welche eine Ultraschallquelle sorgt.  

Totmannschaltung bei Mercedes

Mercedes blieb es in Las Vegas vorbehalten, sich um die Gesundheit des Autofahrers Gedanken zu machen. Das freilich nicht in Form eines Ratschlags, das Auto stehen zu lassen und sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf den Weg zu machen. Nein, im Mercedes der nahen Zukunft kontrolliert ein System den Herzschlag des Fahrers. Erkennt der Computer Unregelmäßigkeiten, fragt er den Menschen, ob alles in Ordnung sei. Antwortet der nicht, wird das Auto zwangsweise zum Stehen gebracht.   Zudem macht man sich in den Autokonzernen immer mehr Gedanken darüber, wie der Autofahrer die Zeit nutzen kann, die ihm zuwächst, wenn das Fahrzeug autonom unterwegs ist. Natürlich wäre es aus ihrer Sicht gut, wenn man daraus auch noch irgendwie Umsätze generieren könnte. Das Zauberwort für diese und viele andere Features ist Vernetzung.  

Mehr Zeit - und nun?  

Die Liste der nützlichen und weniger nützlichen Features, die jetzt möglich werden, ist lang: Man kann aus dem Auto Bestellungen aufgeben, die an einem festgelegten Punkt der Strecke überreicht werden, wie das zum Beispiel BMW in Zusammenarbeit mit Amazon Prime Now vorschlägt. Man kann seinen BMW zum Fremdenführer machen und ihn auch via Smartphone optisch überwachen, wenn er irgendwo abgestellt wurde. Nur eines kann man nicht: Die verstopften Straßen frei machen.   Während Amerikaner und Chinesen alle digitalen Spektakel rund ums Auto und das VW-Motto „We are always on“ super fanden, fragt sich der skeptische Deutsche freilich, wie viele Bildschirme so ein Auto braucht, ob wirklich jeder Schalter „smart“ gemacht werden muss, ob man immer „connected“ sein möchte und ob tatsächlich kein Weg daran vorbei führt, immer mehr Zeit im Pkw zu verharren.

Ein Trost: Die BMW-Designer haben in der Innenraum-Konzeptstudie auch Platz für ein Bücherregal vorgesehen. Sie gehen offensichtlich davon aus, dass auch in zehn, 20 Jahren noch Bücher gelesen werden und der Mensch nicht vollends zum durchgetakteten Konsumenten und Workaholic degeneriert ist.