Siemens vollzieht eine Kehrtwende und steigt nach wenigen Jahren wieder aus dem Solargeschäft aus. 680 Mitarbeiter stehen vor einer ungewissen Zukunft.

Stuttgart - Die immer mehr verfallende deutsche Solarindustrie ist um eine Hiobsbotschaft reicher. Mit dem Münchner Technologieriesen Siemens steigt nun ausgerechnet der selbst ernannte grüne Infrastrukturgigant aus dieser potenziell die Energiewende tragenden Technologie aus. Siemens sucht sowohl für sein kleineres Geschäft mit der Fotovoltaik als auch das größere mit Solarthermie einen Käufer und steht mit Interessenten bereits im Gespräch, kündigte der bei Siemens für das gesamte Energiegeschäft zuständige Vorstand Michael Süß an. Beide Bereiche zusammen haben zuletzt nur knapp 300 Millionen Euro Umsatz erreicht und sind weit hinter Hoffnungen von Konzernchef Peter Löscher zurückgeblieben.

 

Die Trennung kommt nicht überraschend. Siemens-Finanzchef Joe Kaeser hatte zuletzt angedeutet, dass die Verluste in diesem Bereich die Umsätze übersteigen und es so nicht mehr lange weitergehen kann. Siemens konnte das Solargeschäft nie zu einer bedeutenden Größe entwickeln. Vor einer ungewissen Zukunft stehen nun 680 Beschäftigte. Hierzulande arbeiten 200 Menschen in den zum Verkauf bestimmten Geschäften. Ob sie in der jetzigen Marktlage überhaupt verkäuflich sind und das ohne Arbeitsplatzverluste zu schaffen ist, dafür will bei Siemens niemand die Hand ins Feuer legen. Am ehesten kommen noch Käufer aus China in Frage, sagen Experten. Aber auch die heute marktbeherrschenden Firmen von dort leiden schwer unter dem Preisverfall.

Generalunternehmer für große Fotovoltaikfelder

Im Technologiestrang Fotovoltaik, der Sonnenlicht zu Strom macht, ist Siemens keiner der Modulhersteller, die derzeit unter dem rapiden Preisverfall leiden, sondern Generalunternehmer für große Fotovoltaikfelder – und das ausschließlich im Ausland. Auch in diesem Bereich sieht Löscher aber keine Zukunft mehr.

Nach einer beispiellosen Pleitewelle in der deutschen Solartechnik hatte erst vorige Woche die lange als Musterknabe geltende SMA Solar aus Kassel die Märkte geschockt. Der Zulieferer von Wechselrichtern als technologischer Kernkomponente kämpft gegen Verluste.

Noch schlimmer als bei der Fotovoltaik sieht es beim zweiten solaren Technologiestrang aus, der Solarthermie, die Sonnenwärme ist Strom verwandelt. „Der globale Markt für Solarthermie ist von vier Gigawatt auf zuletzt etwas über ein Gigawatt zurückgegangen", beschreibt Süß die Lage. Allerdings ist das die Technologie, auf die das Wüstenstromprojekt Desertec setzt, zu dessen Gründungsmitgliedern Siemens zählt. Ende 2011 hatte hierzulande bereits die auf diese Technik spezialisierte und mittlerweile zerschlagene Solar Millennium Insolvenz angemeldet. Solarthermie sei zu einem Markt für Spezialanbieter geworden, sagte Süß jetzt zum Ausstieg.

Schon auf der Hauptversammlung gab es Ärger

Erst 2009 hatte Siemens das auf Solarthermie spezialisierte israelische Unternehmen Solel für 418 Millionen Dollar gekauft. Der Kaufpreis wurde zuletzt bereits zur Hälfte abgeschrieben. Schon zur Hauptversammlung im Januar hatten große Aktionärsgruppen wie DWS, die Fondsgesellschaft der Deutschen Bank, den Zukauf als Flop gebrandmarkt und dem Management unter Löscher ein schlechtes Zeugnis für Akquisitionen ausgestellt.

Siemens will sich nun im Bereich erneuerbare Energien auf Wind- und Wasserkraft konzentrieren. Auch mit der Anbindung von Windparks in der Nordsee an das Stromnetz hat Siemens zu kämpfen. Löscher hat hier hausgemachte Fehler eingeräumt. Bei Windparks auf See sehen sich die Münchner als Weltmarktführer.