Das Konzept zur Integration von Langzeitarbeitslosen in einfache berufliche Tätigkeiten war überfällig. Auch wenn es noch bauliche Mängel am Konzept gibt, so kann die Hilfe ein Segen für Betroffene und ihre Familien sein, findet Wirtschaftsredakteur Thomas Thieme.

Stuttgart - Den typischen Alltag eines Langzeitarbeitslosen kann man sich – anders als die landläufig verbreitete Meinung – nicht in zweifelhaften Reportagen im Privatfernsehen anschauen. Und auch der in diesem Zusammenhang gerne zitierte Spruch „Arbeitslos und Spaß dabei“ trägt nicht einen Funken Wahrheit in sich. Wer selbst einmal längere Zeit ohne Arbeit war, wird wissen, was es bedeutet, keinen geregelten Tagesablauf zu haben. Arbeit ist sinnstiftend und gibt dem Alltag Struktur.

 

Eine berufliche Tätigkeit kann nahezu existenzielle Bedeutung für Menschen haben. Arbeit integriert. Das gilt für Langzeitarbeitslose mit deutschen oder ausländischen Wurzeln genauso wie für die Menschen, die in der jüngeren Vergangenheit auf Fluchtwegen kamen. Wer etwas anderes behauptet, verkennt die Wirklichkeit. Im Übrigen profitiert von der Integration in Arbeit nicht nur der Betroffene selbst, sondern auch sein Arbeitgeber und letzten Endes die Allgemeinheit, da Beschäftigte zumeist in die Sozialsysteme und Steuerkassen einzahlen.

Manche Betroffene haben noch nie regulär gearbeitet

Wenn die Bundesregierung nun Milliarden in die Hand nimmt, um den schwierigsten unter den schweren Fällen neue Chancen zu ermöglichen, ist das zu begrüßen. Es geht dabei um Langzeitarbeitslose, die sieben Jahre oder länger nicht am Berufsleben teilgenommen haben, ja vielleicht noch nie richtig gearbeitet haben. Mangelnde Fähigkeiten sind oft noch deren geringstes Defizit. Für diese Menschen, vor allem aber auch ihren Kindern, könnte der neue Paragraf 16i im Sozialgesetzbuch II ein Segen sein – so sie denn wollen. Hilfe anzunehmen ist der wichtigste Schritt.

Am Nachbesserungsbedarf an dem Gesetzentwurf besteht kein Zweifel. Wenn private Arbeitgeber, aber auch finanzschwache Kommunen quasi ausgeschlossen werden, weil ihnen durch die Förderlücke zwischen Mindest- und tatsächlichem Lohn zu hohe Kosten entstehen, kann das nicht im Sinne des Erfinders sein. Hier muss das Gesetz im parlamentarischen Verfahren angepasst werden.

Doch abgesehen von solchen baulichen Mängeln ist es genau das richtige Instrument zur richtigen Zeit. Denn so wenig das eingangs erwähnte Klischee über Arbeitslose stimmt, so wahr ist leider eine andere Gesetzmäßigkeit: Wenn ein Kind nie gesehen hat, wie Mutter oder Vater früh aufstehen und aus dem Haus gehen, um Geld für die Versorgung der Familie zu verdienen, prägt oder besser bremst das auch seine eigene Entwicklung. Hartz IV ist vererbbar.