Fabian Pötzsch aus Sachsenheim will in der TV-Show „The Biggest Loser“ drastisch abnehmen. Viele Teilnehmer holt danach jedoch der Jo-Jo-Effekt ein.

Sachsenheim - Im Armstütz bleiben, noch 28 Sekunden. Der Trainer Ramin Abtin feuert seine Leute an: „Auf gehts, kommt! Fabian, Popo hoch!“ Doch Fabian Pötzsch kann nicht mehr. Er liegt verschwitzt auf der blauen Gummimatte, hält die Hände vors Gesicht und sagt immer wieder: „Ich kann nicht mehr.“ Sein Trainer lässt das aber nicht gelten und schreit: „Doch, du kannst, du wirst und du musst!“ Dann beginnt Pötzsch zu weinen.

 

Schließlich merkt auch Abtin, dass hier einer der Teilnehmer seine Grenzen überschritten hat – körperlich wie emotional. „Dass beim Training mal jemandem schlecht wird oder er sich übergeben muss, das hat’s alles schon gegeben, aber dass jemand so bitterlich weint, hat mich schon überrascht“, sagt er später in einem dazwischengeschnittenen Kommentar.

Wer am meisten abnimmt, gewinnt 50 000 Euro

Die Sendung, die ihre Teilnehmer derart strapaziert, läuft auf Sat.1 und heißt „The Biggest Loser“. „Loser“ – zu deutsch: Verlierer – soll hier jedoch positiv besetzt sein. Denn bei der Show gewinnt jener Teilnehmer 50 000 Euro, der während eines sechswöchigen Aufenthalts in einem Trainings- und Abspeck-Camp in Andalusien am meisten Körpergewicht verliert. Den Teilnehmern, alle stark übergewichtig, geht es aber meistens nicht so sehr um den Geldgewinn, sondern vor allem darum, wieder Selbstachtung zu erlangen.

Das ist auch für Fabian Pötzsch ein Motiv. Der 27-Jährige aus Sachsenheim ist seit seiner Teenager-Zeit stark übergewichtig. „Ich habe aus Langeweile und Frust gegessen. Die Portionen wurden dabei immer größer.“ Bei Süßigkeiten und Snacks war bislang seine Denke: „Wenn die Chipspackung schon mal offen ist: Warum sollte ich sie wieder weglegen?“ Vor Beginn der Show brachte er bei einer Körpergröße von 1,84 Metern 170,8 Kilogramm auf die Waage. Das Gewicht schränkt ihn ein, egal ob beim Schuhebinden oder beim Fahren mit der Achterbahn, wenn er nicht weiß, ob er den Sicherheitsbügel zu bekommt. „Ich habe meine Körpermasse bei fast jeder Lebenslage gemerkt. Am schlimmsten waren aber die Blicke der Anderen“, sagt er.

Für Pötzsch ist es der „massivste und krassteste Abnehmversuch“

Schon öfter hat er probiert abzunehmen – doch nie mit Erfolg. Die Teilnahme an der Show ist für Fabian „der massivste und krasseste Abnehmversuch“ in seinem Leben. Pötzsch möchte auf unter 100 Kilo kommen – tatsächlich hat es schon Teilnehmer gegeben, die in dem Camp knapp die Hälfte ihres Körpergewichts verloren haben.

Neben dem Geld und der Selbstachtung hat Pötzsch noch eine weitere, viel größere Motivation abzunehmen: Er will mit seiner Frau endlich eine Familie gründen. Ärzte sagten ihm, dass sich bei einer Gewichtsabnahme auch der Hormonhaushalt im Körper verändert und damit die Chancen einer erfolgreichen Zeugung steigen. „Das war der Punkt, an dem ich mir gedacht habe: Jetzt oder gar nicht.“

Teilnahme anfangs nur als Scherz gedacht

Dass er jetzt bei „The Biggest Loser“ teilnimmt, liegt aber an seiner Frau Evelyn. Auch sie ist übergewichtig und möchte abnehmen. „Wir haben uns vorherige Staffeln angeschaut und im Scherz gesagt: ‚Da melden wir uns an.‘ Und irgendwann hat sie mich tatsächlich mit der Anmeldung überrascht“, sagt Pötzsch. Unter 9000 Bewerbern kamen beide in die Top 50, doch nur er schaffte es am Ende unter die letzten 16 „Loser“ ins Camp. Dass er während des Camps keinen Kontakt zu seiner Frau haben darf, gehört zum Konzept der Show: Die Teilnehmer sollen sich ganz aufs Abnehmen konzentrieren, so die Begründung.

Das hat es für Pötzsch schwerer gemacht, die Härten des Abspeck-Programms zu ertragen: „Am Anfang dachte ich nur: Was habe ich da mir und meinem Körper angetan?“ Eine strenge Diät, ein ausgiebiges Sport-Programm und so genannte Team-Challenges, bei denen die Sieger-Mannschaft kleine Belohnungen bekommt. Und am Ende einer Woche kommt der Moment der Wahrheit, wenn alle Kandidaten auf die Waage müssen. Dann zählt nur noch: Wie viel Kilos hat man verloren? Wer zu wenig Leistung bringt, muss gehen. In der ersten Woche schafft Pötzsch 8,4 Kilo. Als es in der zweiten Woche nur 1,5 Kilogramm sind, fühlt es sich für ihn an wie „ein Schlag in die Magengrube“. Großer Druck lastet auf ihm – ein Druck, der sich bei der Übung mit dem Armstütz entladen hat.

Eine Studie in den USA untersuchte Teilnehmer der Show

Pötzsch ist bewusst, dass die Show vielfach kritisiert wird – beispielsweise, dass sie menschenverachtend sei, weil sie dicke Menschen in entwürdigenden Situationen zeigt oder weil sie eine ungesunde Radikal-Diät propagiert und die Teilnehmer nach der Show, wenn sie niemand mehr betreut, meist wieder zunehmen. Fabian Pötzsch sieht seine Teilnahme an der Sendung dennoch als positiven Wendepunkt in seinem Leben.

Eine Studie in den USA untersuchte Show-Teilnehmer vor, während und in den sechs Jahren nach der Show. Das Ergebnis: bis zum Ende der Show verlangsamte sich der Stoffwechsel radikal. Ihre Körper verbrannten auch Jahre nach der Showteilnahme nicht genug Kalorien, um das neue Gewicht zu halten – der berüchtigte Jojo-Effekt. „Das ist extrem frustrierend und bedeutet auch für den Körper Stress. Das ist gesundheitsschädlicher, als dick zu bleiben“, sagt Hans Hauner, Direktor des Else Kröner-Fesenius-Zentrums für Ernährungsmedizin in München und Adipositas-Experte.

Acht Kilo Gewichtsverlust in einer Woche

Auch das radikale Abspecken mit teilweise acht Kilo Gewichtsverlust pro Woche kann Hauner nicht empfehlen. „Bei einer radikalen Diät kann man zwei bis drei Kilo weniger pro Woche erwarten.“ Doch Abnehmen allein reiche nicht: „Es geht darum, seinen gesamten Ernährungsstil umzustellen. Das ist ein Lernprozess, der nicht nach ein paar Wochen abgeschlossen ist. Dafür brauchen Sie ein bis zwei Jahre.“

Fabian Pötzsch ist sich dessen bewusst. Auf keinen Fall will er einen Jo-Jo-Effekt haben. „Sonst wäre alles umsonst gewesen.“ Seine Frau und er wollen regelmäßig Sport treiben und sich gesünder ernähren. Außerdem haben die beiden sich einen Hund zugelegt. Und wenn dann am Süßigkeitenstand doch mal eine Versuchung locke, werde schon die Familie eingreifen und ihm sagen, er solle die Finger davon lassen.