Das Landratsamt stellt in den Sommermonaten seinen „Enforcement-Trailer“ an der Sulzbacher Steige auf. Das Gerät kann Motorradfahrer in einem Zug sowohl von vorne als auch von hinten erfassen.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Die kurvige Strecke von Sulzbach an der Murr hinauf in den Schwäbischen Wald zieht bei schönem Wetter schon seit vielen Jahren Motorradfahrer in ihren Bann – und sorgt bei Anliegern für Verdruss. Denn die landschaftlich wildromantisch eingebettete Piste ist nicht nur bei hiesigen Gelegenheitsbikern beliebt, sondern auch für jene ein überregionaler Anziehungspunkt, die mit ihren Maschinen phonetisch und geschwindigkeitstechnisch gerne mal ans Limit gehen.

 

Mehr als 200 Stundenkilometer auf dem Tacho

Erst am vergangenen Wochenende ist einer Geschwindigkeitskontrollaktion des Polizeipräsidiums Aalen ein Raser mit rekordverdächtigem Tempo ins Netz gegangen: Er hatte satte 212 Stundenkilometer auf dem Tacho, wo lediglich 100 erlaubt sind. Der Mann war an diesem Tag nicht der einzige Motorradfahrer, der seinen Führerschein abgeben musste. Zehn weitere Biker waren 53 oder mehr Stundenkilometer zu schnell unterwegs – was jeweils ein Fahrverbot von mindestens einem Monat nach sich zieht.

Das Landratsamt hat in der Vergangenheit schon einiges versucht, um die ungewollten Touristen, die neben Gefahr auch jede Menge Lärm verbreiten, zu vertreiben. Doch weder auf der Fahrbahn aufgebrachte Rüttelstreifen noch Geschwindigkeitswarner oder spaßige Appelle am Wegesrand haben Wirkung gezeigt. Auch mehrere Tempolimits, die den Verkehr in Kurvenbereichen bis auf 40 Stundenkilometer hinunter bremsen sollen, interessieren die Raser nicht. Einem Vorstoß, in einem Pilotversuch auf dem Abschnitt bis Großerlach ein Streckenradar, eine sogenannte „Section Control“, einzurichten, hat das Innenministerium zumindest vorerst eine Absage erteilt.

Ganz bewusst als Rennpiste missbraucht

Dass manche Motorradfahrer die Strecke ganz bewusst als Rennpiste missbrauchen, hat sich jetzt laut dem Verkehrsdezernenten im Waiblinger Landratsamt, Stefan Hein, durch eine Langzeitbeobachtung bestätigt. Ein Jahr lang hat das Landratsamt mit in Leitpfosten integrierten Messeinrichtungen untersucht, welche Verkehrsart wann, wie und wie schnell auf der Sulzbacher Steige unterwegs ist. „Wir wissen jetzt genau, dass das Problem eine kleine Gruppe der Motorradfahrer ist, die die Straße rauf und runter fährt und sie als Rennstrecke missbraucht.“

Ihr will man nun zusätzlich zu regelmäßigen Kontrollen der Polizei mit einem selbst produzierten Überwachungsdruck begegnen. Eines der zwei unlängst vom Kreis angeschafften mobilen Blitzgeräte soll in den Sommermonaten dauerhaft an der Sulzbacher Steige im Einsatz sein. Am Donnerstagmorgen ist er in einem Bereich postiert worden, der von lokal Kundigen auf den Namen „Applauskurve“ getauft wurde, weil ihn die Bikerszene regelmäßig als Beobachtungsort für die halsbrecherischen Fahrten Gleichgesinnter nutzt.

Blitzer mit besonderer Technik

Der sogenannte Enforcement-Trailer verfügt über eine Technik, die herkömmliche Blitzer nicht aufweisen, was Motorradfahrer bisher in Sicherheit wiegte. Das Gerät kann gleich zwei Aufnahmen machen: zum einen das Frontfoto, um die Geschwindigkeitsübertretung des Fahrers zu dokumentieren und kurz darauf eine rückwärtige Aufnahme, die das Kennzeichen ins Bild rückt, das bei Motorrädern nur einmal vorhanden ist.

Man hoffe so, bei extremen Überschreitungen, den Haltern der Fahrzeuge zumindest das Führen eines Fahrtenbuchs auferlegen zu können, so Roman Böhnke, Leiter des Kreisordnungsamtes,. Denn zweifelsfrei nachzuweisen, wer das Motorrad gefahren hat, sei wegen des Helmes nach wie vor oft schwierig. Der Kreis engagiere sich als Mitglied der landesweiten Initiative gegen Motorradlärm deshalb nicht nur für Auflagen bei der Herstellung der Fahrzeuge, sondern auch dafür, dass sich Verkehrssünder nicht so einfach einer Strafe entziehen können.

35 Übertretungen in dreieinhalb Stunden

Dass an der „Applauskurve“, wo eine maximale Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometern erlaubt ist, durchaus ein allgemeiner Kontrollbedarf besteht, hat sich schon am Premierentag des auf den Namen „Murr“ getauften mobilen Blitzers gezeigt. Binnen dreieinhalb Stunden löste er 35 Mal aus – allerdings nicht nur wegen zu schneller Motorradfahrer.

Die sollten im Übrigen auch nach dem Passieren der Messstelle auf Höhe des Alten Freibades den Gashahn lieber nicht zu doll aufdrehen. Zum einen habe man für den Enforcement-Trailer mehrere Messpunkte eingerichtet, zum anderen könnte es durchaus sein, dass parallel auch mal der zweite – auf den Namen „Rems“ getaufte – Blitzer im Einsatz sein könnte, warnt der Landrat Richard Sigel. Um gleichzeitig aber auch den Sinn der Aktion klarzustellen: „Wir wollen niemanden gängeln, sondern für mehr Verkehrssicherheit und Lärmschutz sorgen.“

Bürgermeister stehen hinter dem Projekt

Auch die beiden neuen Bürgermeister der betroffenen Kommunen machen klar, worum es aus ihrer Sicht geht. „Fünf Prozent der Motorradfahrer meinen, hier sei ein rechtsfreier Raum“, sagt der Großerlacher Schultes Kevin Dispan. „Jede Aktion, die hilft, das zu unterbinden, ist gut.“ Dass man sich damit nun aller Sorgen entledigt, glaubt seine Sulzbacher Kollegin Veronika Franco Olias nicht: Man werde auch weiterhin regelmäßige Kontrollen der Polizei benötigen.