Seit einer Skitour am Samstag in den Schweizer Bergen wird der Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub vermisst – und mit jeder Stunde schwindet die Hoffung.

Korrospondenten: Jan Dirk Herbermann (jdh)

Zermatt - Mit jeder Stunde schwindet die Hoffnung auf ein Wunder: Seit Samstag ist der deutsche Milliardär und Chef des Tengelmann-Konzerns, Karl-Erivan Haub, im hochalpinen Gebiet rund um das Matterhorn (4478 Meter Höhe) verschwunden. Der erfahrene und durchtrainierte Skifahrer könnte in eine Felsspalte gestürzt sein – oder eine Lawine könnte ihn begraben haben. Die Staatsanwaltschaft des Schweizer Kantons Wallis wollte auch eine Straftat nicht ausschließen. Die Suche nach dem 58-Jährigen wurde am Mittwochnachmittag fortgesetzt, erklärte die Kantonspolizei auf einer Pressekonferenz. Trupps auf der italienischen Seite des Matterhorns forschten ebenso weiter nach dem Vermissten.

 

„Die Rettungskräfte sind in vollem Einsatz“, sagte der Sprecher der Kantonspolizei, Mathias Volken, in Zermatt. Volken wollte sich nicht über die Chancen äußern, ob die Suchmannschaften den Milliardär, der zu den reichsten Deutschen zählt, noch lebend finden werden.

Die Wetterbedingungen für die Suche sind nicht optimal

Die Wetterbedingungen in der zerklüfteten Bergwelt zwischen der Schweiz und Italien seien „nicht optimal“. Schlechte Sicht und Neuschnee machten den Einsatzkräften zu schaffen. „Die Situation ist angespannt in den Walliser Bergen“, sagte Volken. Gleichzeitig versicherte der Polizeisprecher: „Wir tun das Bestmögliche, um Herrn Haub lebend zu finden.“

Tatsächlich bieten die Schweizer Rettungskräfte alles auf, was ihnen zur Verfügung steht: Hubschrauber mit Wärmebildkameras, Spürhunde, elektronische Suchgeräte, Bodentruppen, die in Gletscherspalten abgeseilt werden. „Täglich sind 40 bis 50 Spezialisten im Einsatz“, erklärte Anjan Truffer, der Rettungschef von Zermatt. Die Fachleute durchkämmten auch Berghütten und Restaurants. Doch die Operation gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Das Gebiet, in dem Haub vermutet wird, erstreckt sich über 240 Quadratkilometer. „Der Mann kann überall sein“, sagte Truffer. Die Familie des Tengelmann-Chefs gibt die Hoffnung nicht auf und stellt eine große Geldsumme zur Verfügung. Das bestätigte Adriano Favre, der Leiter der Bergrettungsdienste, im Aosta-Tal dem „Blick“.

Seit Samstag 9.10 Uhr verliert sich die Spur des 58-Jährigen

Nach bisherigen Erkenntnissen übernachtete Haub von Freitag auf Samstag in einem Hotel im Nobelort Zermatt. Das Städtchen gilt als Refugium für Superreiche, viele Pisten rund um Zermatt fordern von Skifahrern sehr gutes Fahrkönnen. Am Samstagmorgen nahm Haub, bepackt mit Skiausrüstung, die Seilbahn zum Klein Matterhorn. Die Bergbahnstation auf dem 3883 Meter hohen Klein Matterhorn ist die höchstgelegene Europas. Von der Spitze eröffnet sich bei gutem Wetter ein atemberaubender Blick auf die schweizerischen, italienischen und französischen Alpen. „Gegen 9.10 Uhr verliert sich Herrn Haubs Spur“, sagte Polizeisprecher Volken. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Firmenboss rund um die Skistation auf dem Klein Matterhorn letztmalig gesehen. Fest steht: Der Winter und auch das Frühjahr brachten enorm viel Schnee rund um das Matterhorn – und damit viele Lawinen und Unglücke. Seit Anfang April meldete die Kantonspolizei elf Todesfälle durch herabstürzende Schneemassen.

Bekannt wurde der eher öffentlichkeitsscheue Haub einer breiten Öffentlichkeit durch den Streit um den Verkauf der Kaiser’s-Tengelmann-Supermärkte an den Rivalen Edeka, als er sich einen erbitterten Schlagabtausch mit Rewe-Chef Alain Caparros lieferte. Haub, der am 2. März 1960 in den USA geboren wurde, ist der Sohn des erst vor Kurzem verstorbenen Unternehmers Ervian Haub. Die Unternehmerdynastie gehört zu den reichsten Familien Deutschlands. Der Wert des Familienimperiums, zu dem Deutschlands größter Textildiscounter Kik und die Baumarktkette Obi sowie Beteiligungen an Internetfirmen wie Zalando und Delivery Hero gehören, wurde vom „Manager-Magazin“ 2017 auf 4,2 Milliarden Euro geschätzt.