Noch ist offen, wie eine Lösung im Streit um die Tengelmann aussehen könnte. Es gibt einen Präzedenzfall.

Stuttgart - Die Zerschlagung von Kaiser’s Tengelmann ist vorerst abgewendet. Ein Ultimatum für eine Einigung, das Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub bis zum Freitag gestellt hatte, wurde bereits am Vorabend bis zum 17. Oktober verlängert. Die Beteiligten erklärten, man habe sich „auf das Ziel verständigt, dass die Ministererlaubnis nach Rücknahme der anhängigen Beschwerden umgesetzt werden“. Bis zum Ablauf der neuen Frist soll eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Darüber hinaus wurde Stillschweigen vereinbart. Viele Fragen bleiben offen:

 

Was bedeutet der erneute Aufschub für die Beschäftigten?

Vor allem die rund 4000 Tengelmann-Mitarbeiter in Nordrhein-Westfalen dürfen wieder auf den Erhalt ihrer Arbeitsplätze hoffen. Tengelmann-Chef Haub hatte angekündigt, dort im Falle des Scheiterns der Gespräche sofort mit der Einzelverwertung seiner Märkte zu beginnen. Da die Geschäfte in NRW schlecht laufen, dürften die Interessenten nicht gerade Schlange stehen.

Wie könnten sich die Beteiligten einigen?

Wenn es heißt, man strebe eine Einigung auf Basis der Ministererlaubnis an, bedeutet das zunächst einmal, dass Edeka wie ursprünglich geplant das komplette Tengelmann-Netz übernimmt. Dafür müssten die drei Konkurrenten Rewe, Norma und Markant ihre Beschwerde gegen die Sondererlaubnis zurückziehen. Dazu bewegen könnte sie Edeka nach Ansicht von Daniel Zimmer, dem früheren Chef der Monopolkommission, entweder mit Geld oder der Abgabe eigener Märkte. „Das könnte allerdings schwierig werden, da der Edeka-Verbund mehrheitlich aus selbstständigen Einzelhändlern besteht“, sagt Zimmer, der Juraprofessor mit Schwerpunkt Kartell- und Wettbewerbsrecht an der Uni Bonn ist.

Eine zweite Möglichkeit ist die Aufteilung des Tengelmann-Filialnetzes. Die klagenden Konkurrenten könnten mit mehr oder weniger großen Filialpaketen in den drei Tengelmann-Vertriebsregionen NRW, Berlin und Oberbayern am Deal beteiligt werden. Auch dieser Weg habe einen Haken: „Die Ministererlaubnis, die die komplette Übernahme und die Erhaltung aller Arbeitsplätze zur Bedingung durch Edeka gemacht hatte, wäre dann hinfällig“, erklärt Zimmer. Das Kartellamt müsste den Fall von vorne prüfen. Es sei allerdings nicht unüblich, Vorgespräche mit der Behörde zu führen, ob Bedenken bestünden.

Hat es eine ähnliche Vereinbarung schon einmal gegeben?

Ja. Im Fall der Übernahme von Ruhrgas durch den Energiekonzern Eon im Jahr 2002 einigten sich die Beteiligten buchstäblich in letzter Minute noch außergerichtlich. Das Geschäft habe allerdings in der Folge zu einer „höchst bedenklichen Konzentration im Energiesektor“ geführt, die auch „zulasten der Verbraucher“ gegangen ist, beklagt Zimmer.

Bei einer Tengelmann-Übernahme durch Edeka rechnet der 56-jährige Wettbewerbsexperte in den betroffenen Regionen mit ähnlichen Folgen. „Das wäre die schlechteste Lösung. Deswegen ist sie auch vom Kartellamt untersagt worden.“ Auch die Arbeitsplätze seien mittelfristig keineswegs gesichert. „Edeka hat von allen möglichen Bewerbern die meisten Überschneidungen und damit auch die höchsten Anreize, eigene Filialen zu schließen.“ Wegen dieser Bedenken war Zimmer im März unmittelbar nach Erteilung der Ministererlaubnis von seinem Posten als Chef der Monopolkommission zurückgetreten.

Gibt es noch andere juristische Hürden?

Wo kein Kläger, da kein Richter. Sollten die drei Edeka-Konkurrenten Rewe, Norma und Markant, die vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die Ministererlaubnis vorgegangen waren, ihre Beschwerden zurückziehen, wären alle Verfahren hinfällig, bestätigt ein OLG-Sprecher. Das Gleiche gelte für die vom Gericht vorgebrachten Zweifel an der Unabhängigkeit von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) während des Ministererlaubnisverfahrens. Der Bundesgerichtshof will bis zum 16. November über die von Edeka und dem Bundeswirtschaftsministerium eingebrachte Beschwerde gegen den Eilentscheid des Oberlandesgerichts Düsseldorf entscheiden. Nur einen Tag später soll das Hauptverfahren am OLG Düsseldorf beginnen.

Könnten immer noch Interessenten zum Zug kommen, die nicht an den bisherigen Gesprächen beteiligt waren?

Das hält Wettbewerbsexperte Zimmer für unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Vor allem das Bundeskartellamt könnte darauf hinwirken, dass weitere Bieter, die bereits öffentliches Interesse bekundet hatten, eingebunden werden. Das gelte insbesondere für kleinere Wettbewerber, bei denen keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken bestünden. Ein Beispiel ist die Schweizer Migros-Gruppe (Tegut).