Tennis in Stuttgart Der Rundumschlag des Alexander Zverev

Ankunft mit Andrang: Alexander Zverev am Montag auf dem Weissenhof. Foto: Baumann

Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt beim Rasenturnier in Stuttgart attackiert der Tennisstar die Legende Boris Becker nach dessen Kritik massiv.

Sport: Marco Seliger (sem)

Boris Becker wird an diesem Dienstagabend auf der Anlage des TC Weissenhof als Stargast erwartet. Alexander Zverev ist seit dem späten Montagnachmittag schon in Stuttgart. Klar ist seit Zverevs erstem öffentlichen Auftritt im Rahmen der Boss Open auf dem Killesberg: Es gäbe einiges zu bereden zwischen der Tennislegende und dem Weltranglisten-Dritten – wenn die beiden denn noch miteinander reden.

 

Denn das darf bezweifelt werden mit Blick in die nähere Zukunft. Auch wenn Zverev auf dem Pressepodium am Montag zum Schluss noch betonte, dass seine Tür niemals zu sei „und ich immer mit Boris rede, wenn er mit mir reden will. In jeder Beziehung, ob mit dem Partner oder jemand anderem, hat man Streitthemen. Ich habe massiven Respekt vor Boris, er ist eine Legende weltweit.“

Besagter Legendenstatus war Zverev vorher aber herzlich egal. Denn Zverev teilte verbal ordentlich gegen Becker aus.

Kurzer Rückblick: Nach dem Viertelfinal-Aus Zverevs bei den French Open in der vergangenen Woche gegen Novak Djokovic hatte Becker als TV-Experte für Eurosport Kritik an Zverev geübt. „Man hat den Eindruck, dass er gegen die Topspieler im selben Trott spielt und darauf hofft, dass das Ergebnis gut wird“, sagte Becker nach Zverevs Niederlage. „Das reicht gegen die Spieler jenseits der Top Ten, aber gegen die oberen Fünf musst du dich mal weiterentwickeln.“ Damit dies gelingt, so Becker weiter, sei ein Trainerwechsel nötig. „Irgendwann brauchst du neue Geräusche und ein neues Umfeld“, sagte Becker. Zverev wird von seinem Vater trainiert, sein Bruder Mischa fungiert als Manager.

Auch die frühere Fedcup-Teamchefin Barbara Rittner attackierte Zverev als TV-Expertin: „Er muss raus aus seiner Komfortzone, die zwei bis drei Meter hinter der Grundlinie liegt, und offensiver agieren“, erklärte sie und ergänzte nach Zverevs Aussage, dass die niedrigen Temperaturen in Paris mitentscheidend für sein Aus gewesen seien, noch dies: „Das kann er mir nicht erzählen.“

Boris Becker und „die Maske“

Jetzt, in Stuttgart, hatte Zverev mit Blick auf Becker und dann auf Rittner einiges zu erzählen. Er hatte klare Botschaften im Gepäck: „Wenn es bei mir gut läuft, mache ich immer alles richtig, wenn es schlecht läuft, sind immer alle sehr schlau“, sagte der 28-Jährige: „Da gehört Boris leider dazu, und da gehört auch Barbara Rittner dazu. Ich nehme ihre Meinung nicht ernst, und sie hat in meinen Augen auch eine falsche Meinung.“ Dann ging es wieder um Becker. Er habe, so Zverev weiter, „schon viel mit Becker gesprochen und viel Kontakt mit ihm gehabt vor den jüngsten Aussagen. Ich hatte ein super Verhältnis zu ihm, ich weiß nicht, warum das jetzt so kommen muss.“ Schließlich wurde Zverev noch deutlicher in seiner Ansage an die Legende: „Die Gespräche, die ich mit ihm persönlich führe, sind ganz andere – vielleicht will er sich ja auch eine andere Maske aufsetzen, wenn er vor einer Kamera steht und will irgendwie anders dastehen.“

Es folgte eine weitere Breitseite gegen Rittner: Wie schon zuvor ungefragt – denn die Fragen an Zverev hatten bei der Medienrunde stets nur konkret auf Beckers Kritik abgezielt. „Ich weiß auch nicht, warum Barbara Rittner plötzlich eine Meinung zu meiner Karriere hat“, sagte Zverev: „Wir hatten noch nie persönlichen Kontakt.“ Es folgte die ultimative Breitseite: „Sie selbst hat ja auch nie auf diesem Niveau gespielt.“

Was sind die Beweggründe?

Was also hat Zverev am Montag zu diesem Rundumschlag bewegt? Fakt ist: Als Kurzschlussreaktion sind seine Aussagen nicht zu werten. Denn Zverev erholte sich nach seinem Aus in Paris bei einem mehrtägigen Golfurlaub auf Mallorca. Bewusste Vorwärtsverteidigung scheint folglich angesagt zu sein, zumal Zverev nach dem epischen Finale bei den French Open zwischen Carlos Alcaraz und Janik Sinner eine kleine Kampfansage an die beiden aktuellen Dominatoren schickte: „Ich bin im vergangenen Jahr nach einer Verletzung an Nummer an Nummer zwei der Weltrangliste gekommen, habe zwei Grand-Slam-Finals in den vergangenen zwölf Monaten gespielt – und jetzt in Paris gegen Djokovic verloren und nicht gegen einen Hanspeter, der die Nummer 250 in der Welt ist.“ Ergo: „Ich sehe mich immer noch als Kandidaten, der gegen die zwei Jungs antreten kann.“ Besagte Jungs, Alcaraz und Sinner, haben Zverev aber eines voraus: Sie haben ein Grand-Slam-Turnier gewonnen.

Großer Andrang beim ersten Training

Jetzt will Zverev erstmal auf der kleineren Bühne in Stuttgart siegen – die am frühen Montagabend eine große war. So kannte der Rummel bei seiner ersten Trainingseinheit auf dem Weissenhof keine Grenzen. Von Sicherheitskräften begleitet, kam der Olympiasieger von Tokio zu seiner ersten Trainingseinheit auf dem Platz an. In Viererreihen drängten sich die Zuschauer – und die zahlreichen Kinder, die vorher hinter Zverev auf der Anlage hinterhergejagt waren, waren außer Puste. Am Donnerstag bestreitet Zverev sein Achtelfinale. An diesem Dienstag trifft er womöglich auf Boris Becker.

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