Nach seiner Aufgabe bei den Australian Open blickt der 36-jährige Philipp Kohlschreiber ungewiss in die Zukunft. Wie lange macht sein Körper noch mit?

Melbourne - An guten Tagen kann der Tennisveteran Philipp Eberhard Hermann Kohlschreiber noch immer die Guten und selbst die Besseren der Tenniswelt ärgern. Der dritte Grand-Slam-Tag in Melbourne hätte vielleicht einer dieser guten Tage werden können, Kohlschreiber war gegen den amtierenden ATP-Weltmeister Stefanos Tsitsipas angesetzt, den jungen, 21-jährigen Griechen mit der Messias-Erscheinung. Aber zu diesem prickelnden Generationenduell ist es dann gar nicht erst gekommen, Kohlschreiber (36) erklärte am Morgen wegen einer Bauchmuskelverletzung seinen sofortigen Rückzug von den Australian Open. „Wenn dir jede Bewegung wehtut, hat es keinen Sinn“, sagte Kohlschreiber, „da musst du schon die Reißleine ziehen.“

 

Ein bitterer Moment für Kohlschreiber

Es war ein bitterer Moment für Philipp Kohlschreiber, und zwar gleich aus mehreren Gründen. Da war die Erinnerung an die vielen Monate des letzten Jahres, in denen sich Kohlschreiber mit Hüftproblemen und schmerzhaften Rückenbeschwerden als Wanderarbeiter im Tourbetrieb herumschlug. Kohlschreiber verlor viele Spiele, und weil die „Balance zwischen Gewinnen und Verlieren“ irgendwann nicht mehr stimmte, wurde er schließlich der ganzen Arbeit überdrüssig. „Da kommst du schon ins Grübeln“, sagt Kohlschreiber, einer, der in vielen Jahren tapfer als deutsche Nummer eins die Fahne hochgehalten hatte. In einer Zeit, in der Tommy Haas und Nicolas Kiefer längst mit dem Spielen aufgehört hatten und in der noch keine Rede vom neuen Hoffnungsträger Alexander Zverev war.

Kohlschreiber spürt Stechen im Bauch

Nun hatte sich Kohlschreiber noch mal mit aller gebotenen Selbstdisziplin und Akribie aufs neue Jahr vorbereitet, mit frischem Mut und zupackender Haltung. Und dieses neue Jahr hatte dann auch alles andere als schlecht begonnen – der Veteran gewann ein hochklassig besetztes Challenger-Turnier. Er rückte auch einige Plätze in der Weltrangliste hoch, vorübergehend auf Platz 74. Eine Runde gewann er dann auch in Melbourne, aber beim Sieg gegen den US-Amerikaner Marcos Giron spürte er schon früh „ein Stechen im Bauch“. Aufregung und Adrenalin hätten die Schmerzen weggedrückt, sagte Kohlschreiber, „ich hab’s glücklich zu Ende gebracht“. Aber die „tolle Herausforderung“ gegen Tsitsipas blieb ihm verwehrt, ein Einriß des Bauchmuskels wurde von den Turnierärzten diagnostiziert. Die Empfehlung, nicht weiter im Turnier mitzuspielen, gab’s dazu.

Er will eigentlich bis 2021 weitermachen

„Das ist natürlich bitter“, meinte Kohlschreiber, „denn ich weiß ja nicht, wie oft ich hier noch antreten kann.“ Der gebürtige Augsburger schaut ein wenig ins Ungewisse, wenn er nach vorne schaut, zu den nächsten Monaten, zu seiner Karriere überhaupt. Bis Ende 2021 habe er weitermachen wollen, ohne große Ambitionen noch, ein sanftes Ausklingen. Aber ein Jahr mit vielen Verletzungen, einen ewigen Kampf gegen den eigenen Körper wolle er sich auch nicht mehr antun, sagt Kohlschreiber, „dann würde das Ende näher rücken.“ Dann könne es sein, dass er eines Tages für sich feststellen werde: „Das war’s.“