Mit 34 Jahren feiert der Stuttgarter Michael Berrer den größten Sieg seiner Karriere. Beim Turnier in Doha besiegt er den Weltranglistendritten Rafael Nadal aus Spanien.

Doha - Auf seinem Weg über die kleineren Bühnen des Welttennis ist Michael Berrer in den letzten Monaten auch mal so exotischen Namen wie Tristan Lamasine, Filippo Baldi, Damir Dzumhur oder Farrukh Dustov begegnet, allesamt Spieler zwischen Platz 100 und 1000 der globalen Rangliste. Berrer ist das, was sie in der Branche einen „Journeyman“ nennen. Er ist wie die meisten seiner Gegner einer dieser unentwegten Tennisabenteurer, die auch nach zehn, fünfzehn Jahren des Herumreisens noch immer nicht von ihrer Profession lassen können, von einer Sache, über die Berrer selbst sagt, „dass es immer eine Leidenschaft war, nie ein Beruf“.

 

Irgendwann im letzten Herbst hat Berrer mit seiner Frau eine Verabredung getroffen, mal wieder und noch einmal ein Jahr im Tennis dranzuhängen – obwohl er inzwischen 34 Jahre alt ist, zweifacher Familienvater und nebenher auch noch seinen Abschluss in Sportpsychologie anstrebt. Berrer, wuchtige 100 Kilogramm schwer bei 193 Zentimeter Körpergröße, wurde dabei auch von dem Gefühl angetrieben, „dass ich hier und da immer noch ein großes Ding raushauen kann, wenn alles an einem guten Tag zusammenpasst“. Dass er sich gleich zu Saisonbeginn des Jahres 2015 in den Schlagzeilen der Weltpresse wiederfinden würde, als erster Sensationssieger dieser Spielzeit, hätte sich der Stuttgarter allerdings auch nicht träumen lassen.

Berrers wechselvolle Karriere

Doch am Abend des 6. Januars hatte Berrer gleich zweierlei auf die Bühne des Wüsten-Wettbewerbs im katarischen Doha hingezaubert: den größten Sieg seiner eigenen wechselvollen Karriere, den 1:6-6:3-6:4-Coup gegen den spanischen Granden Rafael Nadal. Und zugleich den Beweis, welch mühsamer Weg Nadal in den nächsten Monaten in der Weltspitze bevorsteht.

Die Nummer drei der Welt erinnerte nur schemenhaft an den Mann, der er eigentlich ist: der größte Kämpfer im Tenniszirkus, der neunmal beim Ausdauerwettbewerb der French Open in Paris triumphiert hat. „Ich weiß, dass ich noch Zeit brauche“, sagte Nadal nach der Niederlage gegen Berrer, der auf Weltranglistenposition 127 notiert ist. Trotz fehlender Spielpraxis kam  der Erstrunden-K.-o. überraschend, schließlich hatte sich der Mallorquiner schon nach weitaus schwereren Blessuren als seiner Blinddarmoperation im letzten Herbst sehr rasch wieder im Tourbetrieb zurechtgefunden. „Erhebliche Nervosität“ stellte Nadal später fest.

Nadals schmerzhaftes Jahr 2014

Schon beim Einladungsturnier von Abu Dhabi in der Woche zuvor hatte er fahrig und angespannt gewirkt und 2:6 und 0:6 gegen den Schotten Andy Murray verloren. Mit Blick auf die Australian Open (vom 19. Januar an) war der Doha-Ausrutscher jedenfalls sehr störend. „Ich merke, dass die Automatismen und der Rhythmus noch nicht stimmen“, gab Nadal zu Protokoll und prophezeite: „Dieses Mal wird es länger dauern, bis alles zusammenpasst.“

Die baldige Rückkehr nach Melbourne erinnert auch daran, dass 2014 wieder ein Jahr der Pein und der Unsicherheiten für Nadal war. Im Australian-Open-Endspiel gegen den Schweizer Stanislas Wawrinka hatte Nadal am Ende wegen heftiger Rückenschmerzen nichts mehr zuzusetzen und musste dem Außenseiter den Titel überlassen. Nach dem Wimbledon-Aus gegen den Australier Kyrgios musste er eine dreimonatige Zwangspause wegen einer Handgelenksverletzung einlegen, fehlte so auch bei den US Open. Nach drei Turnieren im Herbst unterzog er sich dann einer Blinddarmoperation.