Der Innenminister plant eine Neonazi-Datei. Für Al-Kaida & Co gibt es das längst. Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger mauert aber.  

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Wer ist wer im rechtsextremistischen Milieu? Welche Netzwerke gibt es da? Welche Neonazis bewegen sich im Untergrund? Bis jetzt können die Sicherheitsbehörden diese Fragen nur ungenügend beantworten. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) plant, die bruchstückhaft vorhandenen Erkenntnisse der Fahnder von Polizei und Verfassungsschutz rasch zu vernetzen. Zu diesem Zweck will er eine Datei über Neonazis schaffen. Für Al-Kaida & Co gibt es das längst. Die liberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mauert jedoch.

 

Muster für das geplante Neonaziregister ist die Ende 2006 geschaffene Antiterrordatei. Sie verbindet die Datenbestände der Polizeibehörden von Bund und Ländern mit denen des Verfassungsschutzes und der Geheimdienste. 13.000 verdächtige Personen sind dort gespeichert. Zugriff haben alle beteiligten Sicherheitsbehörden - allerdings nicht in jedem Fall auf die kompletten Informationen.

Die Antiterrordatei beruht auf zwei Ebenen. Zunächst gibt es sogenannte Grunddaten, ein Index mit Namen, persönlichen Informationen, Fotos und Passdaten sämtlicher Verdächtiger. Darauf haben alle Zugriff. Weiter gehende Informationen sind nur auf Antrag einsehbar, in Eilfällen aber auch ohne Formularkrieg.

Ämter sollen Daten zusammenlegen

In diesem zweiten Bereich werden alle Daten abgelegt, die für die Fahnder von Interesse sein könnten: Adressen, Bankverbindungen, Kontaktpersonen, Informationen über Telefon- oder Internetanschlüsse sowie über benutzte Handys, Schließfächer, die als Depot dienen könnten. Auch einschlägige Treffpunkte, Hinweise auf Waffenbesitz, Fahr- und Fluglizenzen oder Kenntnisse im Umgang mit Sprengstoff und Waffen finden sich dort.

Eine vergleichbare Datei will Innenminister Friedrich jetzt für Verdächtige der rechtsextremistischen Szene installieren. Dazu sollen die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter sowie der Militärische Abschirmdienst ihre Daten vernetzten und wechselseitig zugänglich machen. Die Eckpunkte seines Vorhabens hat er in einem Arbeitspapier niedergelegt, das Friedrich am Dienstagabend mit seiner Kabinettskollegin Leutheusser-Schnarrenberger erörtern wollte. Intern hat Leutheusser-Schnarrenberger Ende vergangener Woche bereits grundsätzliche Bedenken gegen Friedrichs Pläne geltend gemacht. Vor zehn Tagen hatten die beiden Minister jedoch öffentlich verkündet, wie sie gegen die rechte Gewalt vorgehen wollen. Bei dieser Gelegenheit wurde auch das Stichwort Datei genannt. Die liberale Ministerin hatte keine Einwände erhoben. Sie hält es aber nicht für vorrangig, eine neue Datei zu schaffen. Wichtiger seien eine "genauere Fehleranalyse" und "Vollzugsdefizite bei den Sicherheitsbehörden".

Kompromisssuche bei Vorratsdaten

Unterstützung bekomme Friedrich aus den Ländern, so heißt es im Bundesinnenministerium. In seiner Neonazidatei sollen gewaltbereite Rechtsextremisten, deren Kontaktpersonen und Helfershelfer sowie Anstifter von Übergriffen erfasst werden. Dabei geht es um einen Personenkreis von etlichen Tausend Menschen. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht ist die Rede von knapp 10.000 gewaltbereiten Rechtsextremisten.

Friedrich hat seiner FDP-Kollegin am Dienstagabend auch einen Kompromissvorschlag zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung unterbreitet. Er würde sich mit einer auf vier Monate verkürzten Speicherfrist begnügen. In dem vom Bundesverfassungsgericht gekippten Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung waren sechs Monate Speicherdauer vorgesehen.

Leutheusser-Schnarrenberger hatte sich für ein völlig anderes Verfahren ausgesprochen: die sogenannte Quick-Freeze-Methode. Dabei werden Telefon- und Internetdaten immer nur dann gespeichert, wenn ein Verdacht vorliegt. Im Fall des Zwickauer Neonazitrios hat das Bundeskriminalamt 40 Anträge auf die Offenlegung solcher Daten gestellt. Bei einem Drittel waren jedoch überhaupt keine Daten mehr gespeichert. Für den CDU-Innenexperten Clemens Binninger ist damit "offenkundig erwiesen, dass Quick Freeze nicht funktioniert".