Reportage: Frank Buchmeier (buc)
Zu den größten Tragödien der Stuttgarter Polizei zählt ein Einsatz am 25. Juni 1972 in der Wohnanlage Asemwald. Im Apartment 468 lebt Ian McLeod. Laut dem Bundeskriminalamt ist der Schotte ein RAF-Unterstützer. Um 6.30 Uhr wird ein Einsatzkommando in das Hochhaus Hannibal geschickt, um seine Wohnung zu durchsuchen. Als der Führer des Trupps die Tür zum Schlafzimmer öffnen will, wird diese von innen aufgerissen und gleich wieder mit einem Schrei zugeworfen. Der Kriminalobermeister schießt zweimal durch die Tür, der unbewaffnete und unbekleidete McLeod wird tödlich getroffen. Später räumt die Bundesanwaltschaft ein, dass er keinen Kontakt zu Terroristen hatte.
McLeods Tod war das fatale Ende einer Fahndung. Wie konnte das geschehen?
Wir hatten bei derartigen Einsätzen alle Angst. Unseren Beamten wurde ständig gesagt: „Denkt an die Eigensicherung, Terroristen schießen sofort.“ Der Kriminalobermeister nahm an, dass ein Angriff unmittelbar bevorstand. Dieser Mann ist ein Freund von mir, ich kenne ihn seit der Ausbildung. Er ist ein ehrenwerter, anständiger und gescheiter Kerl, kein Rambo-Typ.
Die Stuttgarter Polizei geriet durch den Vorfall in ein schiefes Licht.
Zu Unrecht, denn unser Ziel war es, für unsere Gegenüber stets berechenbar zu bleiben. Die Stuttgarter Polizei war tolerant, setzte aber klare Grenzen. Wenn beispielsweise linke Autonome bei einer Demonstration in unserer Stadt auftauchten, haben wir Gespräche mit ihnen gesucht. Wir machten deutlich, dass wir keine Vermummten dulden. Hätte man überall die Protestbewegung so ernst genommen, wäre es vermutlich nicht zu einer derartigen Radikalisierung gekommen.
Seit Ende der 60er Jahre finden in Stuttgart große politische Demonstrationen statt: angefangen vom Studentenprotest gegen „den Muff unter den Talaren“ über die Blockadeaktionen gegen die Nachrüstung an den Patch Barracks bis hin zu den Kundgebungen vor dem Stammheimer Gefängnis, als dort Terroristen inhaftiert sind. Zudem werden in der Stadt, in der Wohnungsnot herrscht, leer stehende Gebäude besetzt. Oberbürgermeister Manfred Rommel, das Ordnungsamt, die Staatsanwaltschaft und die Polizei beschließen, sich nicht zu Werkzeugen von Immobilienspekulanten machen zu lassen. Geräumt wird nur, wenn anschließend unverzüglich Renovierungsarbeiten beginnen.