Der grausame Terroranschlag von Manchester zeigt, dass offene Gesellschaften verletzlich sind. Allerdings sind sie nicht wehrlos, kommentiert Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Nicht alles, was der amerikanische Präsident Donald Trump zu sagen hat, verdient Widerspruch. Nach dem Anschlag in Manchester war er mit seiner Analyse der Hintergründe besonders fix. Er qualifizierte den Täter, dessen Anstifter und Hintermänner als „bösartige Verlierer“. Sofern es sich bestätigen sollte, dass der Attentäter dem „Islamischen Staat“ zuzurechnen ist, trifft Trumps Urteil den Nagel auf den Kopf.

 

Der IS steht für eine besonders hinterhältige Variante von Bösartigkeit

Der IS steht für eine besonders hinterhältige Version der Bösartigkeit. Verlierer vieler Länder vereinigen sich im Namen Allahs unter jener Flagge, um ihren Frust und ihren Hass auszutoben. Dabei befindet sich der IS derzeit selbst auf der Verliererstraße – was wiederum neue Anschläge provoziert. Sie sollen eine Macht simulieren, die das so genannte Kalifat auf seinem eigentlichen Schlachtfeld im Nahen Osten Zug um Zug verliert. Letzten Endes handelt es sich bei diesen Attacken um menschenverachtende Ablenkungsmanöver.

Der Terror dieser Hassbrigade richtet sich gegen alles, was nach ihrem vorsintflutlichen Verständnis von Religion sündhaft ist: gegen eine Welt, in der Freiheit und nicht eine verbiesterte Frömmigkeit das oberste Gebot ist. Ins Visier der IS-Söldner geraten alle, die ein offenes Antlitz schöner finden als eine Burka, die sich nicht den patriarchalischen Denkmustern einer frühmittelalterlichen Hirtenkultur beugen mögen – letztlich also: die meisten von uns.

Diese Attentäter folgen nicht dem Zufallsprinzip. Sie wollen zerstören, wovon sie glauben, es sei des Teufels: Deshalb waren Opfer am französischen Nationalfeiertag zu beklagen, einem Datum, das der Freiheit gewidmet ist. Deshalb raste Anis Amri wie ein antichristlicher Kreuzfahrer mit dem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche. Deshalb mussten wiederholt Besucher von Popkonzerten ihren Spaß mit dem Leben bezahlen – weil die vermeintlichen Gotteskriegern Vergnügen für schamlos halten.

Ein Überbietungswettbewerb der Sicherheitsfetischisten schafft keinen Schutz

Die niederträchtige Gesinnung ist leicht zu durchschauen. Gleichwohl bleibt der islamistische Terror letztlich unkalkulierbar. Er kann seine Verheerungen überall entfalten. Eine offene Gesellschaft wird immer verletzlich bleiben gegen heimtückische Gewalt. Sie kann sich nicht lückenlos schützen, ohne die Freiheit als solche zu verletzen. Das ist schon vielfach geschehen – ein prekärer Tribut an ein stets unvollständiges Sicherheitsempfinden.

Auch hierzulande wird es jetzt wieder Diskussionen geben über Sicherheitsmängel und gesetzlichen Regelungsbedarf. Die haben schon vor dem Anschlag in Manchester begonnen. Schließlich steuern wir auf einen Wahlkampf zu. Auch ein Überbietungswettbewerb der Sicherheitsfetischisten schafft indes keinen verlässlichen Schutz gegen Terroristen. Er würde diesen lediglich signalisieren, dass ihr Terror sein Ziel nicht verfehlt: Hysterie ist nur ein Symptom der Angst.

Es ist kein Zeichen von Stärke, Gewalttätern offene Flanken zu präsentieren

Fatalismus hilft freilich nicht weiter. Das wäre eine Art Kapitulation vor der Gewalt. Auch freiheitliche Gesellschaften sind nicht wehrlos. Es ist kein Zeichen von Stärke, Gewalttätern offene Flanken zu präsentieren. Nach Anschlägen wie dem in Manchester stellen sich viele Fragen neu, Diskussionen über einen optimierten Schutz dürfen niemals enden.

Die beste Antwort auf den Terror ist Gelassenheit und ein Selbstbewusstsein, das sich auf freiheitliche Traditionen besinnt, wie unsere britischen Nachbarn das vorleben. Auch ein Massenereignis wie der Evangelische Kirchentag, der an diesem Mittwoch in Berlin beginnt, ist vor dem Hintergrund allgegenwärtiger Terrorgefahren für jeden Besuch immer ein Risiko. Wer allerdings so kleinmütig denkt, hat gegen die Handlungsreisenden der Gewalt schon verloren. „Furcht tut nichts Gutes“, hat schon Luther gepredigt. „Darum muss man frei und mutig in allen Dingen sein.“