Erneut wird die Türkei durch Terroranschläge erschüttert. Die Eskalation der Gewalt, die von mehreren Seiten betrieben wird, kann das Land ins Chaos führen, kommentiert Gerd Höhler.

Athen - Nach dem Anschlag von Ankara kündigt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Vergeltung an. Die Spirale der Gewalt wird sich also weiterdrehen. Das Attentat trägt die Handschrift der kurdischen PKK, die offenbar gemeinsam mit ihrem syrischen Ableger YPG agierte. Niemand kann der Türkei das Recht nehmen, sich gegen den Terror der Kurdenguerilla zu wehren.

 

Die Organisation nutzte die im Frühjahr 2013 ausgerufene Waffenruhe und die Bemühungen um eine Lösung des jahrzehntealten Konflikts dazu, sich in den Städten der Kurdenregion einzunisten und dort riesige Waffenlager anzulegen. Ganze Landstriche erklärte die PKK zu „befreiten Gebieten“. Das kann sich kein Staat gefallen lassen.

Aber die Reaktion der Regierung war von maßloser Gewalt geprägt: Im Kampf gegen die Rebellen legten die Streitkräfte während der vergangenen Wochen ganze Stadtteile in Schutt und Asche. Die ohnehin schwache Wirtschaft der Region wurde um Jahrzehnte zurückgeworfen. Mehr als 100 000 Menschen wurden obdachlos und zu Flüchtlingen im eigenen Land. Die Offensive mag die PKK militärisch geschwächt haben. Aber insbesondere unter den jungen Kurden hat die Rebellenorganisation als Reaktion auf das harte Vorgehen des Militärs neue Anhänger und Mitläufer gefunden. Jetzt droht der Konflikt eine Eigendynamik zu bekommen, die das ganze Land ins Chaos stürzen könnte.

Dazu trägt auch die Syrienpolitik Erdogans bei. Der Anschlag von Ankara könnte auch eine Antwort auf die Artilleriegranaten gewesen sein, die der türkische Präsident seit mehreren Tagen auf Stellungen syrischer Kurden jenseits der Grenze abfeuern lässt. Gegen Anschläge wie diesen gibt es kaum einen wirksamen Schutz. Das Attentat mitten im Regierungsviertel Cankaya traf buchstäblich ins Herz des Staates. Die einzige Hoffnung liegt in einer politischen Lösung des Kurdenkonflikts. Sie könnte den Terroristen das Wasser abgraben. Doch diese Friedenslösung rückt immer weiter in die Ferne.