Vor dem prächtigen Invalidendom in Paris gedachten die Franzosen in einer beeindruckenden Trauerfeier der Opfer der Terrorattacke vom 13. November.

Paris - Der Ehrenhof des Hôtel des Invalides, dieses einst als Krankenhaus und Kaserne konzipierten Pariser Gebäudekomplexes, scheint für Martialisches gemacht, nicht für menschlich Anrührendes. Aber das hier geht unter die Haut. Was so nüchtern als „Nationale Trauerfeier zu Ehren der Opfer der Terroranschläge vom 13. November“ angekündigt worden war, erweist sich als verstörend emotional. Jacques Brels so schwermütiges Chanson „Wenn nur die Liebe bleibt“ erklingt, gefolgt von Barbaras dramatischem „Perlimpinpin“ und einer Cello-Suite von Bach.

 

Ein Paar verliest vor 2500 Geladenen die Namen der 130 Ermordeten, jeweils ergänzt um das Alter des Opfers. „Anna Petard-Liefrig, 27 Jahre, Baptiste Chevreau, 24 Jahre“, hallt es über den Hof, während des Gesicht der Genannten auf einem Bildschirm aufscheint. Weniger die Namen als die Altersangaben prägen sich ein. Die meisten, die auf Bistroterrassen oder im Konzertsaal Bataclan ums Leben kamen, waren keine 35 Jahre alt.

Hass und Zerstörungswut der Terroristen galt der Jugend, ihrer Lebensfreude, ihrer Unbeschwertheit. Da braucht es keine Großaufnahmen verweinter Gesichter, auf die der Fernsehsender, der die Zeremonie in alle Welt überträgt, diskret verzichtet. Die Feier, an der Politiker aller Parteien, Angehörige der Opfer sowie Überlebende teilnehmen, die mit leichten Verletzungen davongekommen sind, ist auch so ergreifend genug. Francois Hollande löst sich aus dem Publikum, schreitet zum für ihn errichteten Podest. Er kämpft um Contenance. Dem routinierten Redner unterlaufen Versprecher. Hollande würdigt die Opfer, gibt der Trauer Raum, richtet den Blick aber auch nach vorn, ermutigt die Überlebenden.

Ein Innehalten, eine öffentlich verrichtete Trauerarbeit

Der Präsident beklagt ein „im Namen des Wahnsinns und eines verratenen Gottes begangenes Verbrechen“. Die Terroristen hätten mit ihren Angriffen auf die Lebensfreude der Jugend eines freien Volkes gezielt, das die Musik liebe, die Kultur, sagt Hollande. Aber sie seien gescheitert. „Wir werden weder dem Hass noch der Angst nachgeben, es wird auch künftig Chansons, Konzerte, Aufführungen geben, wir werden weiterhin ins Stadion gehen.“

Nach den Anschlägen vom 13. November war Résistance oberstes Gebot gewesen: Widerstand gegen den Terror. Die Fahndung nach flüchtigen Attentätern, Sicherheitsvorkehrungen und Allianzen gegen die Milizen des „Islamischen Staates“ hatten die öffentliche Debatte bestimmt. Ein Innehalten, öffentlich verrichtete Trauerarbeit gar, wäre in den Tagen nach dem Blutvergießen leicht in den Ruch von Resignation und Schwäche geraten.

Die Franzosen zeigen Flagge

Am Fuß der vergoldeten Kuppel des Invalidendoms wird zwei Wochen später Versäumtes nachgeholt. Trauern sei ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zur Rückkehr in den Alltag, haben französische Psychologen im Vorfeld der Zeremonie gesagt. Viel Farbe ist nicht in den Invalides. Grau schimmert das Kopfsteinpflaster. Die Trauernden sind meist ganz in schwarz erschienen. Allein das Blau-Weiß-Rot der Trikolore fügt sich nicht ins düstere Bild. Und so ist es ja auch gedacht.

Vor der Zeremonie hatte Hollande an seine Landsleute appelliert, Flagge zu zeigen, Fenster und Balkon in den Landesfarben zu schmücken. Am Freitag war das Banner vielerorts ausverkauft. In Trauer geeint, haben die Franzosen freilich an die glorreichen Zeiten der Revolution angeknüpft und kühn improvisiert. Roselyne Bachelot, Ex-Gesundheitsministerin und Fernsehmoderatorin, hat einer modernen Marianne gleich den Weg gewiesen. Sie habe drei Tücher zu einer Trikolore zusammengenäht, hat sie stolz erzählt.