Radikale Muslime sind ein Sicherheitsproblem, das sich von Polizei und Nachrichtendiensten immer schwerer kontrollieren lässt. Keimzelle sind oft Familien, in denen Kinder schon von klein an im islamistischen Geist erzogen werden.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Die Terrorgefahr ist für den Generalbundesanwalt zu einem alltäglichen Problem geworden. Allein in diesem Jahr hat die Karlsruher Behörde bis Ende August mehr als 1000 neue Ermittlungsverfahren eröffnet. In drei Viertel der Fälle sind die Tatverdächtigen Islamisten. Die Zahl nannte die Bundesanwaltschaft auf Anfrage der Stuttgarter Zeitung.

 

Das Bundeskriminalamt (BKA) hat aktuell 765 sogenannte Gefährder aus dem islamistischen Milieu im Blick: das sind allesamt Leute, denen ein Anschlag zugetraut wird. Viele von ihnen halten sich allerdings noch im Nahen Osten auf. 449 sind zurzeit in Deutschland. Davon sitzen 166 in Haft.

Radikalisierte Rückkehrer aus Nahost

Die Sicherheitsrisiken durch radikalisierte Islamisten nehmen zu. „Wir haben da einen dramatischen Anstieg“, sagt der CDU-Innenexperte Armin Schuster, Bundestagsabgeordneter aus Südbaden. Ein großes Problem seien Fundamentalisten, die für das Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS) im Nahen Osten gekämpft haben und zurück nach Deutschland kommen.

1000 solcher Personen aus der Bundesrepublik haben sich dem IS angedient und sind nach Syrien oder in den Irak ausgereist. „Da der IS dort in Bedrängnis geraten ist, glauben viele, ihre Dienste auf andere Weise leisten zu müssen, nämlich durch einen Anschlag in Europa“, erklärt Schuster. Im Moment beobachtet das BKA noch „keine große Welle von Rückkehrern“. Es handle sich allerdings um einen Personenkreis, in dem jeder einzelne ein Sicherheitsrisiko bedeute, da die IS-Kämpfer an Waffen und im Umgang mit Sprengstoff geschult sowie bei ihren Bürgerkriegseinsätzen weiter radikalisiert worden seien. Den Sicherheitsbehörden verlangt die Kontrolle solcher IS-Krieger „höchste Sensibilität und höchste Belastung“ ab, so der Abgeordnete Schuster, der das Parlamentarische Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste leitet. „Wir halten den hohen Strafverfolgungsdruck gegen die islamistische Szene aufrecht“, versichert das BKA.

„Dschihadistische Sozialisation“ in Familien

Ein besonderes Problem stellen Kinder und Jugendliche aus islamistisch geprägten Familien dar sowie die Ehefrauen von IS-Kämpfern, die nach Deutschland zurückkehren. In welchem Maße solche Gruppen radikalisiert und gewaltbereit sind, sei für Polizei und Nachrichtendienste „kaum durchschaubar“, heißt es in Sicherheitskreisen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beklagt eine „dschihadistische Sozialisation“ von Kindern und Jugendlichen aus Familienverbänden, von denen einzelne Personen sich dem IS angedient haben. Hier erwachse ein „nicht unerhebliches Gefährdungspotenzial“. Als illustres Beispiel gilt die inzwischen 17 Jahre alte Safia S., die 2016 am Hauptbahnhof in Hannover einen Bundespolizisten niedergestochen hatte. Sie wurde zu einer sechsjährigen Jugendstrafe verurteilt.

Am Montag beginnt vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der Prozess gegen einen 29 Jahre alten Islamisten, der beschuldigt wird, vor einem Jahr einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Karlsruhe geplant zu haben.

Der Mann ist in Freiburg geboren. Er hat einen deutschen Pass, seine Eltern sind Kurden. Er soll sich in einer islamistisch orientierten Freiburger Moschee und im Zusammenhang mit Koran-Verteilaktionen salafistischer Gruppen radikalisiert haben. Der Angeklagte in dem Terrorprozess wird von einem V-Mann des baden-württembergischen Landeskriminalamts belastet. Er hatte diesen jedoch selbst wegen Terrorverdachts angezeigt.