In Brüssel beginnt der Prozess um die islamistischen Anschläge von 2016. Dabei wurden 32 Menschen getötet, Hunderte teils schwer verletzt.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Es ist ein Prozessauftakt mit den erwarteten Hindernissen. Nach jahrelangem Warten beginnt an diesem Montag in Brüssel endlich die Verhandlung über die islamistischen Anschläge. Am 22. März 2016 töteten drei Selbstmordattentäter der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) am Brüsseler Flughafen sowie in einer Metrostation im belebten EU-Viertel 32 Menschen, Hunderte wurden teils schwer verletzt. Vor Gericht stehen nun zehn Männer, die bei der Organisation der Anschläge beteiligt gewesen sein sollen. Für das Verfahren sind mindestens sechs Monate angesetzt.

 

Ein Prozess im Hochsicherheitstrakt

Auf der Suche nach einem passenden Saal für den spektakulären Prozess wurde das ehemalige Nato-Hauptquartier im Nordosten der Stadt für mehrere Millionen Euro zu einem Gerichtsgebäude umgebaut. Der Hochsicherheitstrakt trägt nun den Namen Justitia. Geplant war der erste Verhandlungstag bereits für Ende Oktober, doch der Prozess musste verschoben werden. Die Verteidiger beschwerten sich über den Gerichtssaal, und die Angeklagten weigerten sich, in einem in Zellen unterteilten Kasten aus Panzerglas Platz zu nehmen. Die Anwälte kritisierten, ihre Mandanten würden darin wie Tiere zur Schau gestellt. Die Vorsitzende Richterin Laurence Massart ordnete den Umbau an, was den Beginn um fast zwei Monate verzögerte. In dem neu gebauten Glaskasten werden nun allerdings nur neun Angeklagte Platz nehmen. Der zehnte Mann, Oussama Atar, wird in Abwesenheit der Prozess gemacht; es wird vermutet, dass er in Syrien zu Tode gekommen ist.

Mammutprozess mit 1000 Nebenklägern

Zum zweiten Mal auf der Anklagebank sitzt Salah Abdeslam, der einzige Überlebende des Terrorkommandos vom 13. November 2015 in Paris. Bei den Anschlägen starben damals 130 Menschen. Der Mann soll auch an den Anschlägen in Brüssel beteiligt gewesen sein. Salah Abdeslam, der aus dem berüchtigten Brüsseler Stadtteil Molenbeek stammt, wurde deshalb in Frankreich bereits zu lebenslanger Haft verurteilt. Sein Anwalt hat bereits im Oktober vor Beginn der Verhandlung in Brüssel erklären lassen, dass sein Mandant nicht im Gerichtssaal erscheinen werde. Damit wolle Abdeslam auch gegen die in seinen Augen unmenschlichen Haftbedingungen im belgischen Gefängnis protestieren.

Fast 1000 Nebenkläger sind zu der aufsehenerregenden Gerichtsverhandlung zugelassen. Wie bei dem Terrorprozess in Paris werden auch in Brüssel Opfer und Hinterbliebene gehört werden. Nicht nur sie werden von der noch immer nicht beantworteten Frage getrieben, warum ausgerechnet in Belgien die Terrorzelle ihre fanatisierten Anhänger rekrutieren und fast unerkannt ihre tödlichen Anschläge in Paris und Brüssel vorbereiten konnte. Mit dem Beginn des Prozesses steht auch wieder der Brüsseler Stadtteil Molenbeek im Zentrum des Interesses.

Das Problemviertel Molenbeek in Brüssel

In dem Bezirk sind die meisten der angeklagten Islamisten aufgewachsen, weswegen das Viertel inzwischen als sogenannte Hauptstadt des Terrors in der ganzen Welt durch die Schlagzeilen kursiert. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich in dem rund 100 000 Einwohner zählenden Viertel vor allem Zuwanderer aus dem arabischen Raum niedergelassen. Die Mieten sind im Vergleich zum Rest der Stadt niedrig, man kennt sich untereinander und braucht die Sprache des Landes nicht wirklich zu lernen. Diese Abschottung, so heißt es, mache es den Islamisten leicht, den Hass auf die westliche Gesellschaft zu schüren und junge Menschen zu radikalisieren.

Christelle Giovannetti hofft, dass der Terrorprozess eine Art Abschluss ist, zumindest im juristischen Sinne. Die heute 37-Jährige saß am 22. März 2016 in einem der U-Bahn-Waggons, hat die Explosion schwer verletzt überlebt und tritt nun als Nebenklägerin auf. Das Urteil sei dann aber nicht das Ende und könne für die Opfer lediglich eine Etappe sein auf dem langen Weg, das Trauma jener Tage aufzuarbeiten, sagt Giovannetti.