Bei Tesat Spacecom arbeitet die Belegschaft zurzeit 15 Prozent weniger. Auch die Geschäftsleitung verzichtet auf einen entsprechenden Anteil des Gehalts – um nach Überwindung der Talsohle aus dem Stand durchstarten zu können.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Backnang - Als Andreas Hammer vor rund drei Jahren als Verantwortlicher – oder neudeutsch Chief Executive Officer (CEO) – bei Tesat Spacecom begonnen hatte, stand das Unternehmen eigentlich bestens da. Der Spezialist für Satellitentechnik, mit damals gut 1200 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber in Backnang, verzeichnete den bis dato größten Umsatz in der Firmengeschichte, die Auftragskurve zeigte seit Jahren steil nach oben.

 

Dann, gewissermaßen aus dem Nichts, brach alles ein. War man zuletzt noch daran beteiligt, binnen eines Jahres 24 neue Satelliten im Weltraum mit entsprechender Technik zu bestücken, wurden für das Folgejahr nur noch sieben geordert. „Dabei schlugen gleichzeitig mehrere veränderte Rahmenbedingungen durch“, sagt Andreas Hammer.

Preisverfall am Boden schlägt bis in den Weltraum durch

Zum einen habe sich der Preisverfall bei der Breitband-Datenübertragung am Boden – ein 400-Mbit-Internetanschluss sei mittlerweile schon für 30 Euro im Monat zu haben – auch auf die Konditionen für die Komponenten im Weltraum ausgewirkt. Zum anderen sei auch das Nutzerverhalten in Sachen Fernsehübertragung im Wandel – bisher das „Brot-und-Butter-Geschäft“ bei Tesat Spacecom. Immer mehr Menschen verabschiedeten sich von dem konventionellen TV-Konsum zugunsten von Streaming-Diensten. Für diese spiele sich die ganze Übertragungstechnik über terrestrische Netze am Boden ab – was nicht das Geschäftsfeld der Tesat Spacecom ist. Zudem drängten zurzeit mehrere neue Unternehmen mit neuen Techniken in das Luft- und Raumfahrt-Geschäft, das bisher einigen wenigen Etablierten überlassen war.

„Bisher ist das A und O in der Branche die Qualität gewesen“, sagt Hammer. Verständlich, wenn man sich vor Augen halte, dass die Entwicklung und der Bau eines Satelliten im Schnitt fünf Jahre und die Amortisationszeit weitere 15 Jahre gedauert habe. „Wer für viel Geld so etwas ins All schießt, will natürlich auch sichergehen, dass es funktioniert“, sagt Hammer. Das habe einem Unternehmen wie Tesat, das seit Jahren Kompetenz und Zuverlässigkeit bewiesen habe, natürlich in die Karten gespielt. „Aber in diesen Zeiten, in denen noch nicht klar ist, wohin die Entwicklung der Technik und des Kundenverhaltens geht, scheuen immer mehr Betreiber davor zurück, sich auf 20 Jahre festzulegen“, sagt Hammer: „Die Branche ist in der Wait-and-see-Phase.“

Der enorme Einbruch nach einer stetigen Wachstumsperiode allerdings hat das Unternehmen unvermittelt und mächtig unter Druck gebracht. Zwar ist Hammer fest überzeugt, dass sich die Firma durch Umstrukturierungen und Neuentwicklungen bereits gut für die Zukunft aufgestellt hat, man sei aber vor die Herausforderung gestellt worden, kurzfristig hohe Kosten einsparen zu müssen. Gleichzeitig habe man unbedingt die Mitarbeiter halten wollen, „um nach der vorübergehenden Talphase wieder aus dem Stand heraus durchstarten zu können“, wie Hammer sagt.

Auch die Führungskräfte verkleinern ihren Gehaltsscheck

Dazu hat der Geschäftsführer mit den Arbeitnehmervertretern nach Kurzarbeitsphasen im vergangenen Herbst eine derzeit regions- und branchenweit wohl einzigartige Übereinkunft getroffen. Die gesamte Belegschaft hat sich zunächst bis zum Ende dieses Jahres bereit erklärt, die Wochenarbeitszeit um 15 Prozent zu reduzieren und so Löhne einzusparen. Auch die Führungskräfte inklusive Hammer haben ihren Gehaltsscheck entsprechend verkleinert, wenngleich sich das Arbeitsvolumen der übertariflich Honorierten wohl kaum reduziert habe. „Mir ist aber ganz wichtig gewesen, dass wir die Durststrecke gemeinsam und solidarisch durchstehen“, sagt Hammer. Dass es aufwärts gehen wird, deute sich bereits verhalten an. Das bisherige Hauptgeschäft habe wieder angezogen, und für neue Prototypen gingen bereits Preisanfragen ein, sagt Hammer. „Wir haben unsere Neuentwicklungen frühzeitig genug gestartet.“

Eigentlich bräuchte der CEO, der seine Karriere bei der Bundeswehr begonnen hat, in bestimmten Bereichen des Unternehmens jetzt deutlich mehr Kapazitäten als in der sogenannten Beschäftigungssicherung vereinbart. Diese Woche will der Manager mit dem Betriebsrat deshalb über Ausnahmeregelungen verhandeln. „Wir sind noch nicht aus der Krise raus“, sagt Hammer, „aber ich bin optimistisch, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir haben eine Strategie und ein gutes Feedback. Damit unser Plan aufgeht, brauchen wir jetzt noch ein bisschen Fortune.“

Tesat Spacecom

Unternehmen
Die Backnanger Tesat Spacecom ist eine selbstständig agierende Gesellschaft der Airbus-Gruppe. Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als europäischer Marktführer im Bereich nachrichtentechnischer Nutzlasten von Satelliten im Bereich Telekommunikation, Navigation und Erdbeobachtung. Aktuell hat die Firma 1040 Mitarbeiter. Der Umsatz lag im Jahr 2016 bei knapp 319 Millionen Euro.

Manager
Andreas Hammer ist seit 2015 Geschäftsführer bei Tesat. Der 53-jährige gebürtige Mannheimer hat seine Karriere als Berufssoldat bei der Bundeswehr gestartet, wo er auch Luft- und Raumfahrttechnik studierte. Seit 2005 bekleidete er verschiedene Manager-Funktionen bei der Airbus-Gruppe (EADS).