Die Herausforderung ist gewaltig: Rund 60 Prozent aller Getränke und Würste werden bei einem Bundesligaspiel des VfB Stuttgart in der Pause verkauft. Entsprechend groß ist die Gefahr, dass der Fan warten muss. Wir haben uns mit der Stoppuhr in die Schlange gestellt.

Stuttgart - Es geht um die Wurst. Die beste Stadionwurst in der Stadt. Viele behaupten, die beste Rote gibt es bei den Blauen auf der Waldau. Mythen leben ewig – und sind dem VfB-Anhänger wurscht. Denn der war zuletzt in Sachen Stadionwurst nicht gerade verwöhnt. Die Klagen über Qualität und Service im Stadion rissen nicht ab. Vorläufiger Tiefpunkt war das Heimspiel gegen Mainz: laue Würste, lange Schlangen. Wer es wegen einer Cola oder eines Bieres gewagt hatte, sich an einem der Verpflegungsstände anzustellen, verpasste den Wiederanpfiff. „Da ist der Service bei jedem Kreisligaspiel besser“, klagten manche. Dabei lautet der Slogan des Caterers: „In der Sport-, Freizeit- und Messegastronomie spielt Aramark seit Jahren in der ersten Liga.“

 

Zur Meisterschaft hatte es zuletzt nicht gereicht. Die Sache sah eher wie Abstiegskampf aus. Und deshalb versprach der Caterer, auf dem Transfermarkt zuzuschlagen. Man habe, so Aramark-Sprecher Dirk Geyer, im Sommer immer Personalprobleme. „Gegen Mainz hatten wir zu wenig Leute“, gibt er zu. Schon zum Länderspiel gegen Norwegen sollte aber alles besser werden. Das können Besucher, die das Torfestival von Jogis Buben in der Cannstatter Kurve verfolgten, so nicht bestätigen. Die Durststrecke in der Pause war so lange, dass nicht jeder rechtzeitig auf seinem Platz war.

Vier Minuten Wartezeit sind tolerabel

Man fragt sich: Wie lange darf aus Sicht eines Profis die Wartezeit an einem Verpflegungsstand dauern? Conny Weitmann, gestählt von ihren Verkaufsständen auf dem Sommerfest und anderen Großveranstaltungen, meint, „dass bei mir die Kunden längstens drei Minuten in der Schlange stehen“. Aber auch vier Minuten seien tolerabel. Grundlage für eine zügige Abfertigung sei „gutes Personal an Kasse, Ausgabe und Grill“. Allerdings: Der Begriff „gut“ sei in der Gastronomie relativ, erklärt Weitmann: „Ein guter Griller, also kein Samstagnachmittags-Hobby-Griller, schafft in der Stunde zwischen 200 und 300 Würsten in guter Qualität, die nicht schwarz und nicht zu kalt sind.“ Solche Leute zu bekommen, ist laut Conny Weitmann schwer.

Ob es Aramark gelungen ist, sich in der Länderspielpause mit gutem Personal zu verstärken? Ein Test soll Antworten geben. Der erste Anlauf ist jedoch ein Muster ohne Wert. Zur Stadioneröffnung um 13.30 Uhr ist die Lage entspannt. Bier und Wurst gibt es sofort. Das helle Blonde schmeckt tipptopp, nur die Wurst ist blass und nicht richtig heiß. Aber die Rote aus dem Hause Böklunder schmeckt gut. Auch das Personal ist ausnahmslos freundlich.

Je nähter der Anpfiff rückt, desto länger die Schlangen

Je näher der Anpfiff rückt, desto länger werden die Schlangen an den Ständen auf der Cannstatter Seite. Für ein Bier und eine Wurst steht man um 15.15 Uhr handgestoppte fünf Minuten und 38 Sekunden in der Schlange. Das Bier schmeckt frisch, die Wurst ist okay, nicht spitze. Nur der Preis ist top. In der Bundesliga, so eine Umfrage, rangiert das Stadionmenü für eine Wurst (3,60 Euro) und eine Halbe Bier (4,20 Euro) in der Spitzengruppe.

Spitzenwerte werden auch in der Halbzeit erreicht. Geschlagene zwölf Minuten dauert es, bis man sich mit einem Getränk oder einem Happen stärken kann. Allerdings: Die Qualität ist gut. Das Bier hat nicht wie befürchtet die Anmutung einer Apfelsaftschorle, die Rote ist knackig. Der Senfkübel steht im Übrigen abseits des Gedränges, hier gibt es keine Wartezeiten. Wer bei den Fans nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis fragt, wird dennoch ungläubig angeschaut. Manche erwidern nur „na ja“ und meinen: „Das geht ja nach dem Spiel weiter. Da will jeder sein Pfand für den Getränkebecher und steht wieder in der Schlange.“ Tatsächlich lassen bei ihrer Flucht aus dem Stadion manche ihre Becher einfach stehen und verzichten auf zwei Euro Pfand für ein Kunststoffprodukt, dessen Wert wohl im Cent-Bereich liegt.

Für Athanasios Athanasiou, den Qualitätsbeauftragten des VfB, ist dieses Testergebnis okay. „Es ist eine große Herausforderung, solche Spitzen abzudecken“, sagt er. Er meint das Halbzeitgeschäft. Von insgesamt 60 000 Getränken und 20 000 Bratartikeln pro Spieltag werden 60 Prozent in der Pause verkauft. Angesichts dieser Dimension müsse man die Leistung des Caterers bewerten. Zumindest hat man nun ein größeres Verständnis, wenn man wie am Samstag erst ein paar Minuten nach dem Wiederanpfiff an seinem Platz sitzt.

Und wenn dann auch noch das Ergebnis stimmt, die Roten 1:0 siegen, wird die Frage nach der Roten fast zweitrangig.