Frank O. Rudkoffskys Debütroman „Dezemberfieber“ ist bereits sein fünfter. Doch blieben die vorherigen vier in der sprichwörtlichen Schublade.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-West - Mit Sex einzusteigen, ist bestimmt nicht die schlechteste Idee. Das spricht doch immer gleich ein paar Leser an. Der Autor von „Dezemberfieber“ hat sich dabei für eine kurzatmige, lakonische Spielart entschieden, die auf einer einzigen, der ersten Buchseite abgehandelt wird. Frank O. Rudkoffsky erinnert sich noch gut, wie er mit seinem Laptop in der Unibibliothek gesessen hat und an seinem Roman drechselte. „Ich hatte immer Angst, dass mir jemand von hinten über die Schulter schaut, wenn ich gerade an einer Sexszene schrieb.“

 

Schreiben wie Nick Hornby

„Dezemberfieber“ ist bereits der fünfte Roman des Stuttgarter Autors, der mit seiner Familie im Westen lebt. Die vorangegangenen vier waren aber in der sprichwörtlichen Schublade geblieben. Seinen ersten Roman hat er mit 16 Jahren verfasst – einen Science-Fiction. „Schreiben war immer meine Leideschaft“, sagt der 35-Jährige. „Die ersten Geschichten habe ich für meine Grundschullehrerin geschrieben.“ Es folgten noch drei weitere Romane, die gleichsam nicht den Ansprüchen ihres Verfassers genügten und nie gedruckt wurden. „Am Anfang willst du schreiben wie Nick Hornby. Aber irgendwann merkst du, dass du deine eigene Sprache finden musst.“ Dann kam „Dezemberfieber“, der im Herbst dieses Jahres in dem kleinen Berliner Verlag Duotincta erschien. „Darin habe ich endlich meine Stimme gefunden.“

Rudkoffsky erzählt eine Beziehungsgeschichte, die von der Vergangenheit des Hauptprotagonisten überschattet wird – Sex kommt darin schon mal vor, spielt aber keine tragende Rolle: Einen Tag nach der Haushaltsauflösung seines verstorbenen Vaters fliegt der Langzeitstudent Bastian nach Bangkok, um alles hinter sich zu lassen. Statt eines Traumurlaubs mit seiner Freundin erlebt er jedoch sein privates Purgatorio: Bastian wird von seinen verdrängten Erinnerungen an seine Kindheit zwischen einer depressiven Mutter und einem überforderten Vater heimgesucht. Der Held gerät ins Taumeln, verfällt in Sprachlosigkeit und entfremdet sich immer mehr von seiner Freundin. Ähnlich wie vormals die verstorbene Mutter gerät auch er in den Sog depressiver Einsamkeit. Die auktoriale Erzählung des Romans wird durch Briefe unterbrochen, die sich einst die Eltern schrieben – als Ersatz für Gespräche. Doch auch diese Konversation erstirbt eines Tages, und das letzte Wort, das die Mutter vor ihrem Tod notiert ist ein durchgestrichenes „Ich“.

Depression aus dem Bahn-Magazin

Nein, mit seinem eigenen Leben habe der Roman nichts zu tun, sagt Rudkoffsky, wenngleich die Rückblenden in Tübingen spielen, wo der Autor seine Studienzeit verbrachte. Thailand kennt der Autor von zahlreichen Reisen, und die Orte der Handlung sollten vertraute sein, das erleichtert die Schreibarbeit. Die Idee, das Thema Depression literarisch zu verarzten, sei ihm bei der Lektüre eines Artikels im Bahn-Magazin auf einer Zugfahrt gekommen. Doch das eigentliche Vergnügen sind für den Autor sein Personal: „Es ist großartig, Figuren zum Leben zu erwecken!“

Obwohl „Dezemberfieber“ in einem kleinen Verlag erschien, erfreut sich sein Autor einer bemerkenswerten Resonanz und positiven Rezensionen. Seit Erscheinen des Buches wurde er zu zahlreichen Lesungen eingeladen, „was nicht schlecht ist für einen kleinen Verlag“ und außerdem Spaß macht: „Man kann den Text mit seiner Stimme beleben, und es ist schön zu erleben, dass die Leute still sind, wo sie still sein sollten, und lachen, wo es lustig ist.“

Die investierten Jahre haben sich gerechnet. „Und wenn man was erreicht hat, muss man was nachschieben.“ Gedanklich arbeitet Rudkoffsky bereits am nächsten Roman. Der Stuttgarter Westen, seit fast drei Jahren sein neuer und geliebter Lebensmittelpunkt wird darin vorkommen. Allerdings: „Leben kann man vom Schreiben nicht.“ Rudkoffsky wird sich noch einen Brotjob suchen müssen, der mutmaßlich auch etwas mit Schreiben zu tun haben wird.