Mit „The Last of Us 2“ erscheint der lang ersehnte Nachfolger des Survival-Abenteuers für die Playstation 4. Dieses Mal geht es jedoch nicht nur ums Überleben, sondern vor allem um Rache.

Stuttgart - Es regnet wie aus Eimern, alles ist klitschnass. Tiefgraue Wolken bedecken den Himmel über den Ruinen von Seattle, hinter denen Ellie Deckung sucht. Sekunden später schnellt sie daraus hervor, nimmt einen Mann in die Mangel und sticht ihm mit ihrem Messer in den Hals. Alles passiert in Nahaufnahme. Man sieht, wie der Gegner die Augen aufreißt, das Gesicht beim Stich verzieht, wie das Blut herausströmt und über seinen Körper und Ellies Hand fließt, ehe er zu Boden sinkt. Ein Gegner ausgeschaltet. Aber es bleiben noch so viele.

 

Sieben Jahre nachdem die Entwickler von Naughty Dog eines der wohl spannendesten und intensivsten Videospielabenteuer geschaffen haben, folgt mit „The Last of Us 2“ die Fortsetzung der Geschichte der jungen Ellie und ihrem Ziehvater Joel. Wir durften den Exklusivtitel für die Playstation 4 bereits vorab testen, haben die komplette Story durchgespielt und erklären, wie gut das Spiel geworden ist.

Dieser Text enthält keine Spoiler. Aufgrund der Review-Auflagen von Sony dürfen wir bis zum Release von The Last of Us 2 am 19. Juni keine Details über die zweite Hälfte des Spiels veröffentlichen.

Spielinhalt

The Last of Us 2 setzt die Geschichte von Ellie und Joel etwa fünf Jahre nach ihrer Ankunft in Jackson im US-Bundesstaat Wyoming fort. Aus dem Teenager Ellie ist eine junge Frau geworden, die immer mehr versucht, sich aus Joels Obhut zu lösen, was immer wieder für Konflikte zwischen den beiden sorgt. Sie ist dieses Mal die Hauptfigur, die von Beginn an gesteuert wird. Ellie ist flink, agil und kann nun auch kriechen und klettern, wodurch das Spiel nicht mehr nur auf einer, sondern mehreren Ebenen stattfindet.

Außerdem ist sie inzwischen kampferprobt und kann auch in einem direkten Duell mit den meisten Gegnern bestehen. Außerdem hat Ellie eine Freundin, sie heißt Dina. Ein Kuss zwischen den beiden, der bereits in einem Trailer zu sehen war, hatte teilweise für Aufregung gesorgt. Dabei ist es völlig egal, ob Ellie lesbisch, bisexuell oder welche andere sexuelle Orientierung sie hat. Wer sich daran stört, sollte gar nicht erst weiterlesen.

Zwischen den Fronten

Die Spielwelt ist deutlich größer als im Vorgänger und bietet, sobald die Geschichte in Seattle angekommen ist, dem Spieler reichlich Bewegungsfreiheit und Raum zum Erkunden. Ein Open-World-Spiel ist es aber nicht. Die Landschaften sind vielseitig und reichen von schneebedeckten Bergen bis zu palmengesäumten Sandstränden.

Während im ersten Teil von „The Last of Us“ zumeist die verschiedene Art von Infizierten die Gegner waren, sind es nun überwiegend andere Überlebende. In Seattle gibt es zwei verfeindete Fraktionen, die Washington Liberation Front (WLF) und die Seraphisten-Sekte, die auch „Scars“ genannt werden. Beide reagieren äußerst feindselig auf andere Menschen und greifen sie sofort an. Ellie tut gut daran, ihnen, wenn möglich, aus dem Weg zu gehen – oder sich zumindest einen guten Plan für den Kampf zu überlegen. Gleiches gilt für ein Aufeinandertreffen mit den Infizierten. Neben den bereits bekannten Arten Runner, Stalker, Clicker und Bloater gibt es nun noch die Shambler. Sie sind ähnlich dicke Brocken wie die Bloater und versprühen Säurewolken, die alles in ihrer Nähe auflösen.

Diese Video gibt einen Einblick in „The Last of Us 2“:

Apropos Kampf: In „The Last of Us 2“ geht es ziemlich brutal zu. Zwar war auch Teil 1 kein Kinderspiel und hatte ebenfalls eine USK-ab-18-Einstufung, doch die expliziten Gewaltdarstellungen in der Fortsetzung sind ein ganz anderes Kaliber. Zudem müssen Tierfreunde ganz stark sein: Ellie trifft einige Male auf Hunde, die zwar auch unschuldig wirken können, aber für den Kampf abgerichtet wurden. Wer es nicht über das Herz bringt, die Polygon-Vierbeiner auszuschalten, muss im Zweifel selber dran glauben.

Ohne Munition kommt man nicht weit

Das Waffenarsenal für die lebensfeindliche Welt wird mit dem Spielverlauf immer größer und bietet mehr Auswahl als im ersten Teil. Allerdings ist Munition für Pistolen und Gewehre knapp und muss mühsam gesucht oder selbst hergestellt werden. Das Suchen und Finden von Ressourcen nimmt einen großen Teil des Spiels ein. Denn ohne Waffen kommt Ellie nicht weit, egal wie gut sie schleichen kann. Durch gesammelte Schrottteile können die Waffen verbessert werden, beispielsweise in Sachen Stabilität, Feuerrate oder Kapazität. Aber auch die Figuren selbst können Fähigkeiten ausbauen und neue erlernen. Dafür müssen zum einen bestimmte Lehrbücher gefunden werden, die den jeweiligen Attributzweig freischalten. Zum anderen finden sich, besonders häufig in Bädern, Pillen und Tabletten, die zum Freischalten verwendet werden.

Zurück zur Geschichte, ohne etwas vorwegnehmen zu wollen. Es darf verraten werden, dass Ellie nach einem schweren Schicksalsschlag Jackson in Richtung Seattle verlässt. Dort will sie Rache nehmen an Mitgliedern der WLF. Zusammen mit ihrer Freundin Dina macht sie sich auf den Weg in die regnerische Stadt an der Westküste der USA. Dort lernen beide beim Erkunden der Großstadtruinen, was es mit den Seraphisten und der WLF auf sich hat. Nur selten können sie dabei ungestört vorgehen, da fast an jeder Ecke eine Gefahr lauert.

In der zweiten Hälfte des Spiels ändert sich dann die zu steuernde Figur im Spiel, die zudem über andere Fähigkeiten verfügt als Ellie – ähnlich war es ja auch im ersten Teil. Dadurch ergibt sich für den Spieler ein anderer Blickwinkel auf die bisher erlebte Geschichte. Mehr darf an dieser Stelle zur Story nicht verraten werden.

Stärken

The „Last of Us 2“ ist spannender und intensiver als sein Vorgänger, auch wenn es sich beim Plot vermeintlich nur um einen Rachefeldzug handelt. Der spätere Wechsel auf eine andere Hauptfigur bietet einen völlig neuen Blick auf Ellies und Joels Geschichte. Dabei wird auch den Nebendarstellern viel Platz im Plot eingeräumt und deren Hintergründe beleuchtet. Durch viele Rückblenden in Videosequenzen ergibt sich am Ende des Spiels ein stimmiges Bild, und der Spieler kann sehr gut nachvollziehen, wie es letztendlich zu allem kommen konnte.

Die spielbaren Figuren unterscheiden sich deutlich voneinander, das spürt man in den Bewegungsabläufen, der Steuerung und dem Gameplay. Dadurch werden ähnliche Situationen grundverschieden angegangen und bieten alternative Lösungswege. Auch die zu erlernenden Fähigkeiten und die Waffenauswahl sind unterschiedlich.

Eine neue Umgebung erfordert eine neue Strategie

Die Entwickler von Naughty Dog haben eine atemberaubende Kulisse für „The Last of Us 2“ geschaffen. In der einen Sekunde, sofern Ellie mal ungestört ist, wirken die Stadtruinen von Seattle magisch und mystisch, mit einer Anzugskraft wie von Burgen und Schlössern. Bricht im nächsten Moment dann die postapokalyptische Brutalität über uns herein, fühlt es sich die gleiche Umgebung an wie ein Kriegsgebiet. Weggeblasen ist jede romantische Vorstellung, und es geht nur noch darum, den oder die Gegner zugrunde zu richten.

Das Setting ist sehr abwechslungsreich. Der Spieler muss sich und seine Strategie immer wieder neuen Gegebenheiten anpassen. Der Sound und der Soundtrack des Spiels haben einen immensen Einfluss auf das Spielerlebnis. Schon nach kurzer Zeit erkennt der Spieler beispielsweise anhand der Musik, ob ein Gegner ihn sehen kann, noch bevor dieser einen Angriff startet. Die Musik setzt oft ein, lange bevor etwas passiert. So baut das Spiel die Spannung gekonnt immer weiter auf.

Mehrmals gelingt es „The Last of Us 2“ zu schocken – obwohl der Spieler ohnehin die ganze Zeit in gespannter Erwartung bleibt. Es gibt Augenblicke voller trügerischer Sicherheit, aus denen wir dann gerissen werden, das Herz einen Sprung macht und zu rasen beginnt. Selbst beim Basteln an seinen Waffen an einer Werkbank ist man nicht unbedingt sicher.

Zu guter Letzt noch ein Lob auf die Hinweisfunktion, die es im Spiel gibt. Sucht ihr nach einige Minuten immer noch nach dem Weg, der euch beispielsweise aus einer Halle bringt, werdet ihr in Zaunpfahlmanier darauf hingewiesen. Gleiches gilt für die kleinen Rätsel, die es hin und wieder gibt. Mit etwas Hirnschmalz lassen sie sich aber gut lösen. Keine Hilfestellung gibt es allerdings für die Safes, die ihr knacken könnt. Doch es gibt immer ausreichend Hinweise in der Umgebung auf die passende Kombination.

Schwächen

So gut dieses Spiel ist, es gibt auch ein paar Kritikpunkte und die müssen nicht mal mit der Lupe gesucht werden. Steuerung und Tastenbelegung werden jeden Spieler, der sich gerade vor Infizierten, WLF-Soldaten oder Scars versteckt, nicht nur einmal unabsichtlich verraten. Wenn Ellie die Munition der jeweiligen Waffe wechseln will, muss die Quadrat-Taste für eine längere Zeit gedrückt werden. Mit der gleichen Taste, bei kurzer Betätigung, führt sie einen Nahangriff aus. In der Hektik des Augenblicks wird das hin und wieder schief gehen und für Frust sorgen.

Ständig ist man als Spieler auf der Suche nach Ressourcen. Das ist quasi überlebenswichtig, nimmt aber immens viel Zeit ein. Für die spielbaren Charaktere hat Naughty Dog sich daneben noch eine Sammelaufgabe ausgedacht. Bei Ellie sind es beispielsweise Spielkarten, die sie finden kann. Nur leider gibt es dafür nichts zu gewinnen, abgesehen vielleicht von einer Playstation-Trophäe. Das macht die Sammelei zur reinen Beschäftigungstherapie.

Keine Entscheidungsmöglichkeiten

Neben diese Kleinigkeiten gibt es auch größere Störfaktoren. Zum einen ist dies die Brutalität. Klar, das Spiel ist ab 18 Jahre freigegeben – was hat der Tester also erwartet? Immerhin geht es hier um eine Pilz-Zombie-Apokalypse und ist nicht den Ponyhof von Animal Crossing.

Aber manches Mal wirkt das Spiel überzeichnet, wie ein Gemetzel in einem Tarantino-Film: Blut, fliegende Körperteile, Nahaufnahmen bei der Exekution – diese Brutalität ist ein Statement. Auf mittlerer Schwierigkeit nimmt es Ellie zudem durchaus mit drei, vier oder auch fünf Gegnern gleichzeitig auf, wenn sie genügend Munition hat, ohne groß taktisch vorgehen zu müssen. Etwas weniger wäre hier mehr gewesen. Die tödliche Gefahr, die jeder Infizierte im ersten Teil quasi versprühte, ist nicht mehr da. Aber nur, weil Ellie fünf Jahre älter ist, sollte sie noch lange keine Lara Croft light sein.

Fraglich bleibt auch, warum dem Spieler keinerlei Entscheidungsmöglichkeiten gegeben werden. Ähnlich wie die Uncharted-Spiele hat Naughty Dog „The Last of Us 2“ komplett durchgescriptet. Per se ist das nicht kritikwürdig. Es passt aber nicht zu der Ellie, die sich von Joel losreißen will, um eigenständig zu sein. Die, die Dinge anders angehen will als er. Es gibt einige Punkte im Spiel, an denen es möglich gewesen wäre, dies einzubauen. Das würde auch einen Anreiz bieten, das Spiel ein zweites oder drittes Mal durchzuspielen.

Fazit

„The Last of Us 2“ ist mit großer Wahrscheinlichkeit einer der Anwärter für das Spiel des Jahres. Die Macher von Naughty Dog enttäuschen mit ihrer Fortsetzung nicht, sondern liefern ein immens spannendes und gut erzähltes Abenteuer mit herausragender Atmosphäre, das mehr Freiheiten bietet als der erste Teil.

Das Spiel und Hauptfigur Ellie sind gleichermaßen gewachsen. Der zweite Teil ist aufgrund von Ellies Rachefeldzugs blutiger und brutaler. Was dem Spiel fehlt, sind Entscheidungsmöglichkeiten. Die Geschichte von „The Last of Us 2“ kennt nur ein Ziel – alles ist vorherbestimmt. Auch, wenn man es sich anders wünscht und am Ende fragt: „War es das wirklich Wert, Ellie?“

Wertung

Grafik: 4,5 von 5

Atmosphäre: 5 von 5

Spielspaß: 4 von 5

The Last of Us 2 ist ab 19. Juni exklusiv für die Playstation 4 für rund 60 Euro erhältlich. Das Spiel ist ab 18 Jahren freigegeben.