The Sixteens ist ein Musikerduo, das nicht nur musikalisch zusammengewachsen ist. Einer ist Heilerziehungspfleger, einer ist blind.

Stuttgart - Wir sprachen mit den Musikern Ralf Friton und Jörg Seibold, einem perfekt eingespielten Team.

 
Herr Seibold, liebten Sie schon als Kind die Musik?
Jörg Seibold: Mein Großvater spielte Akkordeon, aus dem Gedächtnis. Oft saß ich dabei und habe es auch mal versucht, nur waren meine Handgelenke nicht gelenkig genug, um die Griffe zu beherrschen. Musikunterricht hatte ich wie viele andere erst in der Grundschule. Mit Blockflöte fing alles an.
Sie sind seit der Geburt blind. Wie haben Sie das Spielen gelernt?
Seibold: Mein Großvater hat mir vermutlich sein musikalisches Gen vererbt, aber es gibt Noten in Brailleschrift, die man liest und sich einprägt. Das habe ich auf der Schule der Nikolauspflege gelernt.
Gab es für Sie nichts als Musik?
In der 10. Klasse fing ich mit dem Gitarrespielen an. Damals schwankte ich zwischen Skifahren und Musikmachen. Die Musik hat gewonnen.
Herr Friton, wann kamen Sie ins Spiel?
Ralf Friton: 1996, 1997. Ich war Anerkennungspraktikant bei der Nikolauspflege und habe Jörg beim Sommerfest des Internats Gitarre spielen hören – und sehen: Er schlägt nämlich nur mit Daumen und Zeigefinger an. Jedenfalls habe ich ihn angesprochen und gefragt, ob wir mal zusammen spielen sollen. Wir trafen uns. Das war der Beginn der Sixteens.
Wie kamen Sie auf den Namen?
Seibold: Ralf spielte damals auf einer zwölfsaitigen Gitarre, meine Geige hat vier Saiten. Wenn man zwölf und vier addiert, ergibt das 16, Sixteen. Manche verwirrt der Name unserer Band. Einer, der uns buchen wollte, hatte geglaubt, wir seien zwei 16-Jährige.
Waren Sie sich sofort einig über die Musikrichtung?
Friton: Über viele Titel herrschte Einigkeit. Ich spielte damals ja schon in einer Rockband, was ich bis heute tu’, und brachte Ideen ein. Jörg machte Liedvorschläge. Wir tauschen uns aus. Irish Folk kommt immer sehr gut an . . .
Seibold: . . .vor allem „Whiskey In The Jar“. Zurzeit ist mein Lieblingslied „Wake Me Up“ von Avicii. „Sad Lisa“ von Cat Stevens oder „Destiny“ von Jennifer Rush gefällt mir auch – und die Musik von Angelo Branduardi. Als ich den mit 18 Jahren zum ersten Mal gehört habe, wusste ich: Was der Mann tut, will ich auch machen. Damals habe ich gelernt, Geige zu spielen.
Dafür braucht man ein außerordentlich gutes Gehör.
Seibold: Mein Gehör ist sehr geschärft, weil ich mit diesem Sinn das fehlende Sehen ausgleiche. Allerdings hatte ich in der Schule durchaus Harmonielehre im Musikunterricht, und mein Geigen-Mentor erklärte mir die Vorzeichen, die die Tonart angeben. Mit der Harmonie- und Notenlehre ist es wie mit Sprachen: Es bleibt einem selbst überlassen, was man daraus macht.
Friton: Jörgs musikalisches Gedächtnis und sein Basiswissen sind unglaublich. Wenn er einen Titel einmal gespielt hat, hat er ihn für immer drauf. Das bringt meine Behinderung an den Tag: Ich muss Noten lesen und lernen.
Herr Seibold, Sie halten die Geige frontal in der Mitte. Hören Sie so die Töne besser?
Das hat nichts mit dem Hören zu tun. Ich habe mir als Kind das linke Schlüsselbein gebrochen, deshalb kann ich die Geige dort nicht mehr ansetzen, das ist zu schmerzhaft. Also habe ich eine Alternative gefunden, ganz automatisch.
Proben Sie oft?
Friton: Nein, denn Jörg reicht ja eine Hörprobe, und wir haben ein festes Spektrum an Titeln. Kurz vorm Auftritt stimmen wir uns kurz ab über Anfang und Schluss.
Wie viele Auftritte haben Sie im Schnitt?
Seibold: Zwei bis drei im Monat, meistens abends und am Wochenende.
Obwohl Sie arbeiten?
Ja, ich arbeite wie Ralf am Limeshof in Welzheim, einer Einrichtung der Nikolauspflege für Erwachsene, und abends fahre ich mit dem Bus nach Rudersberg. Da lebe ich, bei meiner Mutter.
Und Sie, Herr Friton?
Ich lebe bei Göppingen. Aber da unser Duo ein Projekt der Nikolauspflege ist und über Projektmittel finanziert wird, werden wir für Auftritte freigestellt. Wir müssen uns auch nicht selbst um die Konzertorganisation kümmern, denn wir werden stets über die Stiftung gebucht. Wir müssen nur die Anfahrt hinkriegen: Bei Gigs am Wochenende hole ich ihn ab, und nach dem Auftritt fährt Jörg mit dem Taxi heim, wenn’s nicht zu weit ist.
Wer engagiert Sie?
Friton: Zunächst einmal engagiert uns die Stiftung Nikolauspflege gerne für eigene Veranstaltungen. Darüber hinaus auch das Diakonische Werk und Firmen oder Privatpersonen, wenn es etwas zu feiern gibt. Eigentlich zieht fast jeder Auftritt und jedes Interview neue Anfragen nach sich, was natürlich eine schöne Bestätigung für uns ist. Oder die Leute kaufen unsere erste CD. Die ist jetzt eben unter dem Titel „Behind Our Eyes“ erschienen, und am 10. Oktober präsentieren wir sie von 21 bis 22 Uhr bei Radio Fips in Göppingen in der Eber hardstraße 22. Unser erstes Lounge-Konzert!   Jörg  hat  so  lange  keine  Ruhe   gegeben,   bis   wir   die   CD   aufgenommen   haben.
Seibold: Darauf bin ich sehr stolz! Bei manchen Stücken habe ich eine Bratschen-Stimme drübergelegt. Das kommt sehr gut.
Spielen Sie auch Bratsche?
Seibold: Ja, ich war zwei Jahre Mitglied in einem klassischen Orchester. Die Geigen sind dort meistens gut besetzt, also begann ich mit der Bratsche. Leider kann man damit nur lang gezogene Noten spielen, das war mir zu langweilig. Also begann ich, Querflöte zu lernen. Mit der kann man Melodien spielen. Und sie ist nie verstimmt, im Gegensatz zur Geige. Wir wollen sie künftig auf unseren Konzerten einbauen. Das ist toll. Und abwechslungsreich.
„Behind Our Eyes“ heißt die CD, die The Sixteens aufgenommen haben. Hörproben gibt es auf der Homepage der Nikolauspflege (www.nikolauspflege.de).