Das Theater der Altstadt in Stuttgart spielt Wolfgang Borcherts Nachkriegsdrama „Draußen vor der Tür“. Der Aktualisierungen hätte es dabei gar nicht bedurft.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Da hat die gute alte Elbe nur Hohn und Spott übrig. Ersäufen will sich der junge Mann? „Du Rotznase von einem Selbstmörder“, zetert sie und schickt ihn weg. Um sich umbringen zu dürfen, müsse man schon mehr Leid zu bieten haben. Aber ist es nicht genug, was Beckmann mit seinen 25 Jahren auf dem Buckel hat? Drei Jahre nach Kriegsende kehrt er aus Sibirien zurückkehrt, das Bein ist steif, die Eltern sind tot, die Ehefrau hat einen anderen. Die Menschen haben sich längst in der neuen Welt eingerichtet und wollen mit dem Krieg und seinen Opfern nichts mehr zu schaffen haben.

 

Beckmann bleibt „Draußen vor der Tür“, so hat Wolfgang Borchert sein Theaterstück überschrieben, das eines der wichtigsten Stücke der Nachkriegsgeneration wurde. Denn viele Soldaten fanden sich nach der Heimkehr nicht mehr im Leben zurecht. Borchert schilderte das Schicksal des jungen Beckmanns höchst bewegend und erschütternd. So herrscht auch im Theater der Altstadt immer wieder angespannte Stille. Wilfried Alt hat hier „Draußen vor der Tür“ inszeniert und einen starken, fesselnden Abend daraus gemacht – menschlich berührend, schauspielerisch überzeugend, formal interessant.

Gelächter für die Gasmaskenbrille

Philipp Alfons Heitmann spielt diesen Beckmann, der zerrüttet und mutlos zurückkehrt – und nur Gelächter erntet für seine Gasmaskenbrille im Gesicht. Beckmann hat ihm den „Anderen“ (Stefan Müller-Doriat) beigesellt, der dieses „arme graue Gespenst“ mit Durchhalteparolen ins Leben zurückpeitschen will. Er schickt ihn zum Oberst (Dietmar Kwoka) – ihm solle er „die Verantwortung zurückgeben“, die ihn nicht schlafen lässt. Doch der Oberst lacht, wendet die Würstchen auf dem Grill und sagt bloß „Sie sind ein Schelm“. Also versucht es Beckmann im Theater, singt seine leise Klage vor. „So übel nicht“, sagt der Regisseur, „aber wer will heutzutage etwas von der Wahrheit wissen?“

Wilfried Alt hat einige Änderungen am Stück vorgenommen. Brad Pitt wird erwähnt und Videoeinspielungen erinnern an deutsche Soldaten in Afghanistan. Dabei bräuchte es diese Aktualisierungen gar nicht. Denn auch wenn Borchert selbst einer dieser Heimkehrer war und an seinen Verwundungen 1947 sogar starb, so hat er das Schicksal dieses Kriegsheimkehrers doch ins Allgemeine gewendet und erzählt davon, wie sich Menschen nicht vom Unglück eines anderen stören lassen wollen. „Werden Sie erst mal wieder ein Mensch“, wird Beckmann ermahnt. „Irgendwo muss man doch eine Chance bekommen“, sagt er verzweifelt. Aber selbst der liebe Gott schert sich nicht um sein Leid – sondern tänzelt mit dümmlichem, breitem Clownsgrinsen einfach davon.

Vorstellungen vom 28. bis 31. Januar, 1. und 4. bis 8. Februar