„Der eingebildete Kranke“ ist am Freitag, 1. Oktober, in der Fellbacher Schwabenlandhalle zu sehen – auf Schwäbisch. Der Darsteller Franz Xaver Ott verspricht einen temporeichen Abend. Eine Voraussetzung sollten die Besucher erfüllen.

Fellbach - Passender geht’s kaum: Ein Stück über falsche und echte Krankheiten, über tatsächliche Wehwehs und vermeintlich höllische Schmerzen, über Pillen und Einläufe, über Verschwörungstheoretiker und Familientyrannen, über geldgierige Ärzte und dubiose Quacksalber, kurz – über Leben und Tod. Und somit irgendwie auch über die aktuelle Pandemie. „Der eingebildete Kranke“ heißt Molières Stück – an sich schon eine Komödie mit ungebrochene Aktualität.

 

In Fellbach wird jetzt noch eine Schippe draufgelegt, mit exaltierten Akteuren in schrillen Kostümen und reichlich Dialekt. Vor dem Gastspiel in der Schwabenlandhalle an diesem Freitag, 1. Oktober, um 20 Uhr spricht Franz Xaver Ott, der die schwäbische Fassung erstellt hat, über die Besonderheiten dieses knallbunten Abends.

Herr Ott, der Molière-Klassiker stammt aus dem 17. Jahrhundert. Wie haben Sie das originale Französisch ins Schwäbische übersetzt? Geht das Wort für Wort und Satz für Satz?

Grundlage ist nicht das Original, sondern die Fassung von Martin Heckmanns, Uraufführung war 2019 in Bonn, natürlich als hochdeutsche Umsetzung. Gemeinsam mit Regisseur Christoph Biermeier – er war 13 Jahre Intendant der Freilichtbühne Schwäbisch Hall – und Dramaturg Georg Kistner haben wir uns entschlossen, das ohnehin schon tolle Stück Molières, diesen Komödienklassiker, zu verstärken und im Schwäbischen noch zu verschärfen.

Wenn man allein die Fotos von den Proben anschaut, ist die Erwartungshaltung klar: Sie drehen 105 Minuten lang ohne Pause offenbar richtig auf?

Sicher, so ein Projekt darf man nicht zu klein und zu brav rangehen. Es wird voll fett; unverschämter, härter, dichter, noch temporeicher als das Original, mit exaltiertem Spiel, burlesker, was auch an den extremen, bunten Kostümen und dem Bühnenbild mit dem Himmelbett im Zentrum zu erkennen ist. Es gibt schwäbische Formulierungen, für die gibt’s im Hochdeutschen einfach keine Entsprechung. Wir haben den Text um ein paar Wörter erweitert und einige zusätzliche Schimpfworte eingebaut, kernige Ausdrücke, etwa in den Duellen zwischen dem Hauptdarsteller Argan – gespielt von Bernhard Hurm, der ja auch in Fellbach schon oft auf der Bühne zu sehen war – und seiner Gegenspielerin, der von Carola Schwelien verkörperten Hausangestellten Toinette.

Komplett ins Absurde, völlig Überzogene mit reinen Schimpfwort-Duellen sollte es aber vielleicht auch nicht abdriften.

Wir versuchen schon, die Balance zu finden, es changiert ein bisschen zwischen Schriftsprache und einem nicht ganz breiten Schwäbisch. Ansonsten versteht es sich von selbst: Wer Aversionen gegen Schwaben hat und ihren Dialekt partout nicht abkann, der ist an einem solchen Abend natürlich fehl am Platz.

Wie sind die bisherigen Erfahrungen?

Wir hatten jetzt unsere 18. Aufführung. Wir waren in Tübingen schon Open Air und auch in Melchingen, dann dreimal indoor, also im Saal, in Mössingen. Das ist natürlich ein Komödienklassiker, die Uraufführung war 1673, und Molière spielte den Titelhelden selbst. Doch bei der vierten Vorstellung erlitt er einen Schwächeanfall und starb noch am selben Abend in seinem Kostüm. Welche Tragödie in der Komödie. Das Stück hat jedenfalls die Jahrhunderte gut überstanden und passt perfekt in die heutige Zeit der Coronapandemie, mit Argons Angst vor Ansteckung, sodass er seine Mitmenschen nur noch erträgt, wenn sie Masken tragen, mit der Hypochondrie, mit dem Abschotten gegenüber der Welt.

Nicht nur für die Übertragung des Texts ins Schwäbische, sondern vor allem auf der Bühne – Sie stellen Argans Arzt Dr. Diarrhörius dar – braucht es Dialektsicherheit. Damit können Sie dienen?

Ich bin in Hayingen auf der Schwäbischen Alb aufgewachsen, ein Ort mit 1000 Einwohnern. Deshalb sind bei mir allemal die Grundlagen da. Zum Theater gekommen bin ich durch Martin Schleker vom Naturtheater Hayingen. Ich habe anfangs Kulissen gebaut und Plakate geklebt, später wurde ich Schauspieler, Autor, Regisseur, Dramaturg und habe viel Spaß daran. Die Poesie und die Eigenart des Schwäbischen faszinieren mich, ich habe auch viele Stücke in meiner Muttersprache geschrieben. Ich wollte neben dem Mainstream die schwäbische Identität fördern, und die Lust am Alternativsein hat mich mein ganzes Leben über begleitet.

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Meine These: wer Schwäbisch net drhoim oder als Kind uff dr Gass gelernt hat, kann es sich auch später nicht aneignen. Oder doch?

Wir haben auch Leute im Ensemble, die stammen nicht von dr Alb, sondern von weiter her, und haben das Schwäbische nicht ganz perfekt drauf. Die Toinette-Darstellerin etwa ist keine Muttersprachlerin, sie hat es sich aber gut angeeignet. Und die Béline wird von einer Akteurin mit fränkischen Wurzeln verkörpert, das rollende „R“ nutzen wir natürlich auf der Bühne. Man darf das alles nicht so puristisch sehen, Urschwaben mit ganz feinem Ohr werden mögliche Mängel in der Intonation, bei Konsonanten oder Vokalen heraushören, aber vielleicht klingt es auch interessant, wenn jemand den Dialekt gern spricht, obwohl er nicht jeden schwäbischen Ausdruck perfekt beherrscht.

Franz Xaver Ott – vom Erzieher zum Theatermann

Ursprung
 Franz Xaver Ott wurde 1962 in Hayingen im Kreis Reutlingen geboren. Er wuchs auf einem Bauernhof in einem katholisch geprägten Elternhaus auf. Er ist in Zwiefalten und Bad Urach zur Schule gegangen und absolvierte in Tübingen eine Ausbildung zum Erzieher.

Theater
 Ott ist Schauspieler, Regisseur, Autor und Dramaturg und gehört zur Truppe des Theaters Lindenhof in Melchingen, für das er mehrere Stücke, auch in schwäbischer Mundart, geschrieben hat, etwa „Konrad Kujau – ein echter Fälscher“, „Hoimetaberau“, „Die letzten Sautage“ oder „Schwabenkinder – in fremden Händen.“ Inszeniert hat er beispielsweise „Der schwäbische Tartüff“, „Mörike! Er ist’s“ oder „Der zerbrochene Krug.“ In „Der eingebildete Kranke“ agiert Ott unter dem Namen Dr. Diarrhörius als Argans Arzt.