„Blondere“ Foyers, ein neuer Zuschauerraum, Betonoptik im Eingangsbereich: Am Freitag wird das neue Stuttgarter Schauspielhaus eröffnet. Der Umbau hat sich gelohnt.

Stuttgart - Nüchtern-sachliche Formen waren angesagt in Deutschland, als Stuttgart Ende der fünfziger Jahre daran ging, sein kriegszerstörtes Theater wiederaufzubauen. Es waren die Zeiten von Dieter Rams’ legendärem „Schneewittchensarg“ und den eckigen Heckflossen von Opel-Kapitän und Mercedes-Benz 300 SE. Eine Rekonstruktion des neoklassizistischen Vorgängerbaus von Max Littmann wäre Planern und Bauherren damals komplett abwegig erschienen – ungefähr so absurd wie heutzutage ein modernes „Schloss“ in Berlin.

 

Den Wettbewerb von 1957 gewannen die Stuttgarter Architekten Hans Volkart, Bert Perlia und Kurt Pläcking mit einem Entwurf für einen funktionalen, etwas trockenen Neubau, der sich als oktogonaler Körper mit flächiger Fassade bewusst von der antikisierenden Monumentalarchitektur der Oper abhebt. (Diese war im Krieg unversehrt geblieben, wurde aber wenigstens im Inneren schön begradigt und „entschnörkelt“, wie man das oberlehrerhaft nannte.)

Ein halbes Jahrhundert lang unverändert

So, in dieser praktischen, nicht weiter aufregenden, aber seit geraumer Zeit immerhin denkmalgeschützten Form bestand das Theater ein halbes Jahrhundert lang mehr oder weniger unverändert, bis auf ein paar Anfang der Neunziger vorgenommene kosmetische Korrekturen in den Foyers. Der 2010 in Angriff genommene Umbau ist die erste grundlegende und dringend nötige Sanierung und vor allem auch technische Modernisierung des in die Jahre gekommenen Hauses. Dass die Wiedereröffnung nun nicht der erhoffte triumphale Wiedereinzug wird, sondern von harschen Auseinandersetzungen und vermutlich sogar juristischen Nachspielen zwischen den Projektbeteiligten überschattet wird und zudem in ein nur provisorisch fertiggestelltes Theater erfolgt, ist ein Jammer. Denn architektonisch und atmosphärisch hat das Haus eindeutig gewonnen. Dem Berliner Klaus Roth ist es gelungen, den Räumen Frische einzuhauchen, ohne ihnen den Epochengeist auszutreiben.

Die Foyers sind „blonder“ geworden: Helle Eiche ersetzt nun den vormals rötlichen Ton der Holzoberflächen. Die neue, kühlere Farbgebung allein würde manchem Besucher aber vielleicht kaum auffallen, wären da nicht die unübersehbaren Veränderungen im Eingangsbereich. Garderoben, Bar und Lounge befinden sich jetzt, zusammengefasst zu einer Art Funktionsinsel, gegenüber dem Kassenvorraum. Stilistisch schert der organisch gerundete Korpus der Insel mit seiner Betonoptik bewusst ein bisschen aus der Wiederaufbau-Ästhetik des Theaters aus. Mehr Sorgen als dieser Fremdkörper muss einem jedoch die auf nur eine Seite verlegte Garderobe machen und die Frage, ob das Gedrängel davor nicht fürchterlich wird.

Geheimnisvolles Dunkel

Und dann der auf wundersame Weise verwandelte Zuschauerraum. Wo bisher eine Wandverkleidung im Farbton der rötlichen Foyervertäfelung den Charme eines Jugendzentrums verströmte, umfängt den Besucher fortan geheimnisvolles Dunkel: eine prismatisch gefaltete, Wände und Decke überspannende Raumschale aus kaffeebrauner Wenge, die nicht nur in maximalem Kontrast zur lichten Außenseite der Wandelgänge steht, sondern den Zuschauer in eine eigene Welt eintauchen lässt.

Immateriell, geistig wird diese Welt, wenn die 850 stäbchenförmigen Effektlichter angehen, die in das Faltwerk eingelassen sind. Dann löst sich der Raum in einem artifiziellen Sternenhimmel auf. Man kann diese Stäbchen in allen Regenbogenfarben erstrahlen lassen – ganz nach Belieben, das Theater liebäugelt schon mit schier unendlichen Möglichkeiten. Der Architekt dagegen – „das ist hier keine Kirmes“ – möchte nur weißes Licht. Und in dieser leicht gereizten Meinungsverschiedenheit klingt durch, dass die Nerven auf allen Seiten blank liegen.

Wer bei dieser Sanierung wann und wo versagt hat, lässt sich von außen nicht beurteilen. Klaus Roth, der den Umbau als „Kommunikationsproblemprojekt“ bezeichnet, kommt der Wahrheit wohl ziemlich nah. Dass das Theater gleichwohl ein Interesse daran haben muss, ein einwandfreies Gebäude und eine funktionierende Bühnentechnik zu übernehmen, versteht sich von selbst. Die verlangten Nachbesserungen sollten jedoch die Verhältnismäßigkeit wahren. So wäre es völlig überzogen, die Sichtbehinderungen auf einigen Randplätzen durch einen Umbau der Wandverkleidung beheben zu wollen. Nicht nur geriete die Geometrie der Raumschale mit ihren darunter befindlichen 110 Tonnen Stahl aus dem Lot, auch finanziell wäre dieser Aufwand nicht zu rechtfertigen. Es gibt aber zum Glück eine einfache Lösung: etwas weniger Eintrittsgeld für diese Plätze verlangen.