An diesem Wochenende bespielen sie wieder ihre Stammbühnen: Das Stuttgarter Schauspiel und die Esslinger Landesbühne tasten sich mit ersten Premieren in die neue Normalität.

Esslingen - Es gibt in diesen Corona-Tagen wohl kaum einen öffentlichen Ort, der sicherer wäre als ein Theater. Personalisierte Tickets, die der Theatergänger nur online kaufen kann, dazu ausgetüftelte Wegesysteme, in die er detailliert eingewiesen wird, bevor ihn Theatermitarbeiter an seinen Platz geleiten, wo er die Schutzmaske abnehmen kann – und dort hält der Gast einen Mindestabstand zu seinen Platznachbarn ein, sodass er sich in der Tiefe des Raums schon sehr verloren vorkommen kann. Was bei den erfolgreichen Corona-Formaten des Staatstheaters bisher just so war, wird auch an diesem Wochenende nicht anders sein, wenn angestammte Spielstätten wieder eröffnet werden: Burkhard Kosminski lässt in Stuttgart das Schauspielhaus und das Kammertheater, Friedrich Schirmer in Esslingen die Landesbühne bespielen.

 

Wenn nicht alles täuscht, bahnt sich mit diesen tastenden Schritten die Rückkehr zu einer Normalität an, die freilich auch im Kulturbereich anders aussehen wird als vor Corona. Hochsicherheitszonen werden die Theater nach wie vor bleiben, dafür sprechen in Esslingen schon die auf der Homepage nachzulesenden Besuchsbedingungen. „Wir starten den Versuch, zwischen blindem Aktionismus und depressiver Tatenlosigkeit einen eigenen Weg zu gehen“, sagt Schirmer, der die Landesbühne zusammen mit dem Co-Intendanten Marcus Grube leitet – und der besonnene Mittelweg führt an diesem Samstag, 19.30 Uhr, stracks zur Premiere der „Antigone“ des Sophokles.

Staatsgewalt und Aerosole

Das 2500 Jahre alte Drama handelt vom Konflikt zwischen Idealismus und Staatsräson und lässt sich laut Schirmer gut den Restriktionen der Pandemie anpassen, die Mindestabstände auch auf der Bühne erzwingt: „Die Wucht des Klassikers begünstigt eine statuarische Erzählweise“, so der Intendant, weshalb unter der Regie von Alexander Müller-Elmau nicht nur striktes Social Distancing, sondern auch Spieler mit Plexiglasvisieren zu sehen sind: Antigone wird sich im Schauspielhaus den Aerosolen mit der gleichen Unbedingtheit erwehren, mit der sie auch der Staatsgewalt trotzt.

Zugelassen sind, der Corona-Verordnung gehorchend, 99 Zuschauer. Auf diese Masse Mensch setzt Schirmer große Hoffnungen, soll sie doch mit ihrer Empathie die fehlenden 362 Premierengäste, die vor der Viruszeit das Haus bis auf den letzten Platz gefüllt hätten, „energetisch ersetzen“. Theatralische Energiewunder sehnt er sich auch für die beiden weiteren, in der lädierten Restsaison noch vorgesehenen Inszenierungen herbei: „Die Mitwisser“ von Philipp Löhle in der Regie von Christof Küster am 11. Juli sowie „Ein ganzes Leben“ von Robert Seethaler am 15. Juli, das bereits im Winter im kleinen Podium Premiere hatte, vom Regisseur Klaus Hemmerle nun aber Corona-tauglich auf die große Esslinger Bühne gelupft wird.

Hygienische Schäfchen

Auch das Stuttgarter Theater von Burkhard Kosminski kehrt am Wochenende auf seine Stammbühnen zurück. „Von reduzierten Saalbelegungen werden wir uns ebenso wenig abschrecken lassen wie von den erforderlichen Abstands- und Sicherheitsregelungen vor, auf und hinter der Bühne“, sagt der Intendant des Schauspiels und legt los: An diesem Samstag, 20 Uhr, werden im Kammertheater Anke Stellings „Schäfchen im Trockenen“ wiederaufgenommen. Umgetrimmt auf Abstand und Hygiene von der Regisseurin Sabine auf der Heyde, geht die modifizierte Vorstellung vor 33 glücklichen Zuschauern über die Bühne. Und am Sonntag, 19.30 Uhr, folgt im Schauspielhaus vor der dort zugelassenen Höchstzahl von 99 Besuchern eine Premiere: „Extrem laut und unheimlich nah“ nach Jonathan Safran Foer, von Bernadette Sonnenbichler umgemodelt zum Livehörspiel mit vier Darstellern und enorm viel Equipment.

Vorhang auf! Zumindest Corona-technisch dürfte in Stuttgart und Esslingen an diesem Wochenende nichts schiefgehen.