Die Württembergische Landesbühne aus Esslingen spielt in Gerlingen das Stück „Der Sheriff von Linsenbach“. Mit dabei ist der legendäre SWR-Talkmaster Wieland Backes. Er verrät Hintergründe zu seiner neuen Aufgabe.

Gerlingen – - I n einer schwäbischen Kleinstadt ist vieles ziemlich vernachlässigt worden. Ein Mann will wieder Ordnung schaffen, nicht nur auf dem Parkplatz vor dem Rathaus. In dem Stück „Der Sheriff von Linsenbach“ wird Schwäbisch gesprochen, der Dialekt ist aber lange nicht alles. Es spielt auch der nicht nur vom „Nachtcafé“ bekannte Moderator Wieland Backes mit. Eine Rolle, in der man ihn kaum kennt – und die ihm viel Freude bereitet.
Herr Backes, kehren Sie zu Ihren Wurzeln zurück? Sie waren ja schon in jungen Jahren als Schauspieler tätig.
Der Theatervirus liegt bei uns in der Familie. Ich habe Eltern, die beide Lehrer waren und die mit ihren Schülern sehr intensiv Theater gespielt haben. Einer meiner fünf älteren Brüder ist Schauspieler geworden, andere haben sich zeitweise damit verdingt. Das Schauspielen war immer in der Familie präsent. Meine größte Tat während der Schulzeit war die Inszenierung von „Pygmalion“ von George Bernard Shaw, in der ich auch die Hauptrolle spielte.
Wie sind Sie zu Ihrem Engagement an der WLB und zu dieser Rolle gekommen?
Der Intendant Friedrich Schirmer war drei Mal bei mir zu Gast im Nachtcafé; er war ein wunderbarer Gast, in seinen guten wie schlechten Zeiten. Das hat uns auf freundschaftliche Weise zusammengeschweißt. Vor einiger Zeit sind wir uns zufällig im Stuttgarter Literaturhaus wiederbegegnet. Und da habe ich hinterher, beim Wein, zu ihm gesagt: Ich könnte doch mal bei Ihnen Theater spielen – wohl gemerkt, das war nicht ganz ernst gemeint. Aber Schirmer hat sofort den Ball zurückgespielt und gesagt: da fällt mir etwas ein.
Das war „Der Sheriff von Linsenbach“?
Richtig. Schirmer schickte mir das Manuskript des Stücks mit der Frage, ob ich mir vorstellen könnte, darin mitzuspielen. An ein Mundartstück hatte ich zwar zunächst nicht gedacht, aber ich bin ja des Schwäbischen mächtig. Schließlich wuchs ich in dem Dorf Oberbrüden am Rande des Schwäbischen Waldes auf. Da war es lebensnotwendig, diesen Dialekt zu beherrschen – auch wenn ich aus einer Flüchtlingsfamilie kam, in der rein hochdeutsch gesprochen wurde. Ich kann heute auf Knopfdruck schwäbisch reden.
No könnet mr jo so weiterschwätza.
Wega mir glei.
In der Zeitung liest sich Hochdeutsch besser. Ist denn das strikte Spielen einer Rolle für Sie spannender als das flexible Reagierenmüssen als Moderator oder Talkmaster?
Es ist etwas anderes. Es ist auf der einen Seite leichter, auf der anderen schwerer. Das Stück ist relativ komplex, vom Bühnenbild und dem Agieren der Schauspieler. Wir brauchen alle die volle Konzentration, um auf der Spur zu bleiben und die Choreografie des Stückes durchzuhalten. So komplex war meine Sendung Nachtcafé lange nicht. Ich spreche andererseits nicht die eigenen Worte, sondern die Worte, die mir vorgeschrieben sind. Dabei kommt für mich im Endergebnis etwas sehr Lustbetontes heraus, was mich in gute Laune versetzt. Mir macht das sehr viel Spaß.
Was reizt Sie an dem Stück?
Der Stoff ist nur vordergründig leichtes Volkstheater, er hat große Tiefe. Es geht um einen Ordnungsfanatiker, der an seine Grenzen kommt und dies dann relativiert. Dabei merkt er, wie er die Menschen um sich herum gut kennenlernt, und es geht auch um Ideale und wie man diese für sich durchsetzen kann. Es ist ein Stück über schwäbischen Fundamentalismus, sagt Friedrich Schirmer dazu. Da ist was dran.
Ist das Darstellen dieses schwäbischen Ordnungssinns Satire oder Abbild von Realität?
Der Autor Oliver Storz ist ein exzellenter Kenner der schwäbischen Volksseele und ein Virtuose der Sprache. Beides bringt er in dem Stück zusammen: Es ist humorig, mit Tiefgang und trifft genau die Mentalität. Jeder, der hierzulande zuhause ist oder die Schwaben kennt, wird sehr viel Realität wiedererkennen.
Fernsehen und Theaterbühne sind ja völlig unterschiedlich – sowohl für den, der vorne oder oben steht wie für den, der zuguckt. Was ist denn für die Zuschauer anders?
Die sind vielleicht verwundert, dass der Moderator, der früher wie ein Vertrauenslehrer oder Pfarrer auf sie zukam, plötzlich in verschiedene schräge schwäbische Rollen verfällt. Für mich ist es ein völlig anderes Gefühl. Die Befriedigung ziehe ich daraus, wenn ich das Publikum in der direkten Konfrontation mitnehmen kann, wenn ich spüre, der Saal ist dabei. So geht es uns als Truppe den ganzen Abend. Ich habe hohen Respekt vor der hohen Professionalität meiner sehr guten Kollegen – aller, nicht nur der Schauspieler.
Beschreiben Sie Ihre Rollen bitte mal näher.
Es sind fünf. Die richtige Textrolle ist die des Rathauspförtners Kunz, der beste Freund des Titelhelden. Kunz legt sich mit dem Freund an und öffnet ihm am Schluss die Augen. Dann spiele ich einen Hartz-IV-Empfänger im Doppelripp und einen Hund, der mal aus dem Off bellt. Und ich spiele Wieland Backes, der auf einem Fest ein Zitat zum Besten gibt. Und schließlich einen Metzger mit blutigem Messer und in blutiger Schürze, der nur zynische Worte für den Protagonisten übrig hat.
Wie läuft denn die Tournee?
Gerlingen ist die zweite Station, noch in Großstadtnähe. Dann geht es richtig in die Provinz, von Aalen bis nach Isny. Und dazu immer mit dem Tourneebus unterwegs. Das wird eine neue Erfahrung, wir sind auch noch in der nächsten Spielzeit gebucht. 35 Vorstellungen sind geplant. Mir gefällt daran, dass das Stück nur vordergründig betrachtet Vordergründig ist. Wer sich drauf einlässt, nimmt etwas mit.