Das Stuttgarter Theater "Rampe" spielt "Heiliger Krieg" von Rainald Goetz. Es geht um nichts und vielleicht auch um alles.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Es gibt Wahrheit. Das Theater hat sie gepachtet, auf der Bühne werden die großen Themen dieser Welt verhandelt und Handlungsanleitungen für ein besseres Leben ausgegeben. "Dummheitsdreck", ruft da einer aus dem Zuschauerraum, "das ganze Theater ist eine einzige Userfeindlichkeit." "Hirnlosenzusammenrottungsort." "Augenblicksort." "Mordort." Man wollte diesem Mann beipflichten, der mitten in der Vorstellung von Rainald Goetz' "Heiligem Krieg" zu schimpfen beginnt über die Regisseure, die einen mit Steuergeldern traktieren dürfen und an alles denken, "bloß nicht an die Zuschauer". Aber das ist es ja, was Rainald Goetz will: uns Zuschauer vorführen, abkanzeln, bloßstellen. Niemand ist vor seiner Häme sicher, weder Theatermacher noch die Zuschauer. Ob Politische und Protestler, Stammtischbrüder und mündige Bürger - alles Schwätzer, Dummköpfe, "Ärsche".

 

Der 1954 geborene Rainald Goetz gefällt sich in der Rolle des Zynikers und Anarchos, der in seinen Stücken radikal gegen die Theatertradition anschreibt. Der Arzt und promovierte Historiker wird gern als Post-Punk-Dichter bezeichnet und stilisiert sich als Kulturbetriebshasser, der seine Hiebe nach allen Seiten verteilt. Die Rampe zeigt nun den ersten Teil seiner Trilogie "Krieg". Es geht um nichts und vielleicht auch um alles. Drei Männer stehen auf der Bühne, Spießer in Feinstrick und Cordhosen. Es sind Wirtshauskumpane am Stammtisch, der ebenfalls ein Ort vermeintlicher Wahrheitsproduktion ist. Sie produzieren nichts als Phrasen und hohle Sentenzen. "Handeln ist Schuld", heißt es da. "Das Leben lebt, das ist die Wahrheit." "Der Wille des Volkes ist gut." Und immer wieder: "Prost ihr Ärsche. Klassenkampf" - "Darauf trinken wir einen." Bedeutungsschwer kommt daher, was sinnentleert ist. Ein Nachrichtensprecher leiert die jüngsten Ereignisse in Fukushima und Libyen herunter, die "mündigen Bürger" schwadronieren munter zwischen Bierkisten.

Trotz Pointen hat der Abend enorme Längen

Immer wieder mischt sich der Mann aus dem Publikum ein, kommentiert, kritisiert; André Becker, der Regisseur des Abends, spielt ihn. Er hat diesen mitunter kryptischen und ironischen Text munter illustriert. Thomas Hechelmann, Klaus Gramüller und Kenneth Huber sind witzige Figuren, die allerhand kuriose Dinge vollführen. Sie sitzen, stehen, gehen, sie schütteln Hände wie beim Staatsempfang, singen Frank Zappas "Und du bist mein Sofa", knabbern ermattet Stullen.

Dankbar hangelt sich das Publikum von Pointe zu Pointe, und doch hat der Abend mit knapp zwei Stunden enorme Längen. Man mag selbst Bezüge erstellen oder auch nicht, den wirren Redefluss durch Assoziationen anreichern oder sich an der Lust an der zynischen Destruktion ergötzen. Am Ende hinterlässt Rainald Goetz' "Heiliger Krieg" einen faden Nachgeschmack, weil die Kritik an der Institution Theater und anderen Orten vermeintlicher Wahrheitsproduktion allzu selbstgefällig vom Autor vorgetragen wird. Und auch wenn man es mehrfach wiederholt und ironisiert: "Ein einziges Gefasel" bleibt einfach nur "ein einzige Gefasel".

Vorstellungen 26. bis 30. April, 3. bis 7.Mai