Ein Theaterstück in der evangelischen Stiftskirche hat den Reformator in die Gegenwart geholt. Es ist ein Drama, das den Besuchern Denkanstöße gegeben hat.

Stuttgart - Zwei Männer, die absolut nichts mit Martin Luther zu tun haben wollen und es dann doch ganz existenziell mit ihm zu tun bekommen: Das zeigt „Eine Nacht mit Luther“, ein Schauspiel mit Tiefgang. Dargeboten am ungewöhnlichen Ort, in der Stuttgarter Stiftskirche. Rund 240 Besucher haben am Dienstagabend eine Theateraufführung in dem evangelischen Gotteshaus erlebt.

 

„Ein Drama in der Kirche“ – mit einem Augenzwinkern kündigte der Pfarrer der Stiftskirche, Matthias Vosseler, den Abend an. Die Gemeinde wollte den Reformator und seine Botschaft in das moderne Leben übersetzen. Dass dies gelang, dafür sorgten Benjamin Stoll und Rolf Dieter Degen unter der Regie von Monica Degen in einem Zwei-Mann-Stück des Freien Theaters Berlin.

Blitze zuckten, Donner dröhnte

Rolf Dieter Degen spielte Horst Aschenbrenner, einen gläubigen bayerischen Katholiken, der für ein paar Tage Ruhe und Besinnung in einem Augustinerkloster sucht. Zu ihm stürzt Benjamin Stoll als Thomas Harnke ins Zimmer, nach seinen eigenen Worten ein „Agno-Ex-Protestant“, der mit der Kirche abgeschlossen hat. Eine Autopanne und ein schweres Gewitter haben den „ungläubigen Thomas“ gezwungen, in das Kloster zu flüchten, wo das einzig noch freie Bett im Zimmer von Horst steht.

Nur für diese eine Nacht sind die beiden ungleichen Männer zusammen. Horst hat Probleme mit Erna, seiner evangelischen Ehefrau, die ihn mangels befriedigender Kommunikation zu verlassen droht. Er will im Kloster Klarheit über sich gewinnen. Auch Thomas lebt mit einer Last, einer sehr schweren sogar: der Trauer um seine Tochter, die als 13-Jährige tödlich verunglückt ist.

Bevor dies alles klar wird, ereignen sich in der von Blitzen durchzuckten, von Donner durchdröhnten Nacht merkwürdige Dinge. Beide Männer versuchen zu schlafen, doch dann träumen sie, schlafwandeln und verwandeln sich in Luther, sie erleben Szenen aus seinem Leben. Sehr gut gibt etwa Stoll den Reformator, als er sich, geschüttelt und gekrümmt von der Furcht, vor Gott ein verlorener Sünder zu sein, unter dem Donner am Boden windet und gelobt, „Heilige Anna, ich will ein Mönch werden“.

Ein Abend, der Denkanstöße hinterlassen hat

Degen spielt mit seinem bajuwarischen Akzent souverän den ruhigeren Part, er ist derjenige, der viel über Luther weiß. Beide erscheinen im Lauf des Dramas als Luther, in ganz verschiedenen Situationen: im Kampf mit dem Teufel, als Prediger gegen den Ablasshandel, im Gespräch mit Luthers Ehefrau Katharine von Bora.

Dabei wird nicht nur die historische Gestalt deutlich, sondern gerade auch das, was über seine Zeit hinaus von ihm geblieben ist. Degen und Stoll lassen den Reformator sehr lebendig werden, die temperamentvollen Kämpfe mit dem Teufel, die Ausbrüche der Verzweiflung, dann aber auch die feste Zuversicht und das Gottvertrauen. So kommt Luther den Zuschauern ganz nahe in der Szene, in der Horst die ganze Trauer um seine verlorene Tochter hinausschreit.

Auch den Theologen hat großer Schmerz um eine früh verstorbene Tochter lange gequält. Dem Katholiken Horst bleibt es vorbehalten, ein erstauntes Resümee zu ziehen. „Unglaublich, der Luther hat Gott nicht aufgegeben…“ Beide Männer schöpfen ein wenig Mut. Für die Besucher war es ein Abend, der unterhalten, aber gewiss auch Denkanstöße hinterlassen hat.