Mit multimedialem Theater machen Intendant Jens Nüßle und ein Team von der Theaterspinnerei in Frickenhausen seit 20 Jahren von sich reden. Die neue Produktion beschäftigt sich mit Künstlicher Intelligenz.
Die Menschen sitzen den ganzen Tag an ihren Schreibtischen. Nachts schlafen sie im Hundebett. Eine eigene Wohnung brauchen sie in der gruseligen Zukunftswelt nicht mehr. In der neuen Produktion „Kaf K.I. – ein Kammerspiel mit künstlicher Intelligenz“ experimentiert die Theaterspinnerei in Frickenhausen mit digitaler Technik. Düstere bürokratische Zukunftsvisionen generiert Jens Nüßle, der Chef des multimedialen Theaters im Bahnhofsgebäude, mit seinem Ensemble. Die Premiere ist am Freitag, 20. Dezember, um 20 Uhr.
Kafkas bürokratische Gefängnisse haben Nüßle und das Ensemble der Theaterspinnerei zu dem Abend inspiriert, der die Sehgewohnheiten des Publikums auf eine harte Probe stellt. Im Zentrum der Handlung steht eine mit Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Figur, die einer alten Fotografie Franz Kafkas nachempfunden ist. Es habe ihn fasziniert, für diese Produktion technische Lösungen zu finden, sagt Nüßle. Er macht seit 20 Jahren mit der Theaterspinnerei multimediale Bühnenkunst. Stephan Hänlein liefert das technische Know-how und realisiert die komplexen multimedialen Arbeiten.
Welche Gefahren die Künstliche Intelligenz birgt, will das Ensemble in der Produktion zeigen. Jens Nüßle und Susie Rosina Pochert spielen mit einem Avatar in der sogenannten Holo Box. „Er übernimmt am Ende die Kommunikation zwischen den beiden“, sagt Pochert. Denn die beiden Sachbearbeiter trennen Kontinente und Zeitzonen. Wie war es, einen Avatar mit so viel Wissen zu füttern, dass das auf der Bühne überzeugend wirkt? „Technische Experimente haben mich immer gereizt“, sagt Jens Nüßle. Er hat die Bewegungen der Figur mit Sensoren aufgezeichnet, und mit diesen Informationen die KI „gefüttert“. Stephan Hänlein ist der technische Kopf der Gruppe. Mit viel Wissen und Leidenschaft arbeitet er sich in die komplexen Methoden der Computertechnik ein. „Da gibt es keine Grenzen, wir probieren die Dinge aus.“ Trotz beschränkter Möglichkeiten, was die Ausstattung angeht, kommt die kleine Bühne zu bemerkenswerten Ergebnissen.
Den Reiz digitaler Theaterformen vermitteln
Den Theatermachern ist es wichtig, dem Publikum den Reiz digitaler Theaterformen nahe zu bringen. „Wir zeigen gerade die kritischen Seiten.“ Die Biografie des Dichters Franz Kafka, der unter der Bürokratie litt, zeigt dem Chef der Theaterspinnerei die Grenzen des Fortschritts. Ihre Stückentwicklung basiert aus Textpassagen Kafkas. „In der heutigen Zeit, in der Menschen zu Maschinen werden, ist uns Kafka näher denn je“, sagt Nüßle. Diese aktuellen Bezüge möchte er in der neuesten Produktion in der Theaterspinnerei herausheben.
Seit 20 Jahren ist die Theaterspinnerei nicht nur in Frickenhausen eine gute Adresse für innovatives Theater. „Wir arbeiten viel in den Kommunen des Landkreises“, sagt Nüßle. Das macht den Theaterschaffenden Spaß, „denn die Zusammenarbeit mit wechselnden Partnern inspiriert“. Zur Einweihung des Holzparkhauses am Bahnhof in Wendlingen im September hat das Ensemble ein multimediales Event realisiert. 2023 verblüfften Nüßle und seine Theaterspinnerei mit der Produktion „Ataraxia“. Auf einer Wiese des Solawi-Hopfenhofs auf der Oberensinger Höhe haben die Kunstschaffenden Raumschiffkapseln aufgebaut. Da entführten sie das Publikum ins Weltall. Ihr innovatives Theater verbindet die Gruppe stets mit Gesellschaftskritik. Da setzten sie sich mit dem Klimawandel und seinen verheerenden Folgen für die Menschheit auseinander. Der Bauernhof, auf dem solidarische Landwirtschaft betrieben wird, war ein perfekter Spielort. Da sich die Kundinnen und Kunden mit Abos in das Projekt einkaufen, wird der Anbau für die Bauern planbarer.
Was das Format angeht, betreten die Theaterschaffenden aus Frickenhausen gerne Neuland. 2007 baten sie ihr Publikum gar ins Wasser. „Der Beurener Quellgeist“ war eine Filminstallation im Thermalbad. Im ganzen Landkreis Esslingen hat die Theaterspinnerei einen guten Namen. Da demnächst der Erbpachtvertrag mit der Gemeinde Frickenhausen ausläuft, beschleichen Jens Nüßle zwar Zukunftssorgen. Doch er bleibt optimistisch. „Wir gehen davon aus, dass wir einen neuen Vertrag bekommen.“ Im Januar wurden die experimentierfreudigen Theaterschaffenden mit dem Daniel-Pfisterer-Preis des Geschichts- und Kulturvereins Köngen ausgezeichnet. Dort planen sie 2025 einen Audiowalk im Römerpark.
Lust am Experiment: Die Theaterspinnerei Frickenhausen
Privattheater
Die Theaterspinnerei im alten Bahnhofsgebäude ist eine privat geführte Bühne. Es gibt keine regelmäßigen Zuschüsse von Bund und Land. Ihre multimedialen Projekte realisieren die Kunstschaffenden oft mit Kooperationspartnern wie Kommunen, Firmen oder öffentlichen Einrichtungen.
Künstliche Intelligenz
Das neue Projekt „Kaf K.I.“ ist ab Freitag, 20. Dezember, 20 Uhr, in der Theaterspinnerei Frickenhausen, Bahnhofstraße 1, zu sehen. In der multimedialen Inszenierung steht ein Avatar im Mittelpunkt, der schrittweise die Macht über die Menschen an ihren Schreibtischen übernimmt.
Theaterrestaurant
Vor der Aufführung gibt es im Lokal der Theaterspinnerei in Frickenhausen ein Menü. Die Speisekarte ist auf der Homepage unter https://theaterspinnerei.de zu finden. Essen gibt es in dem Lokal nur auf Vorbestellung und kann in Zusammenhang mit der Online-Buchung angegeben werden.